0 0,00*
Siegfried Suckut

Volkes Stimmen

»Ehrlich, aber deutlich« - Privatbriefe an die DDR-Regierung

Keine Verkaufsrechte


Produktdetails

Verlag
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Erschienen
2016
Sprache
Deutsch
Seiten
576
Infos
576 Seiten
ISBN
978-3-423-42926-9

Kurztext / Annotation

Einmalige Zeitzeugnisse In Tausenden von Briefen an die Staatsspitze, Parteifunktionäre und Medien machten DDR-Bürger ihrem Herzen Luft, manche ganz offen, die meisten anonym: Verbesserungsvorschläge, Ängste, Kritik an Versorgungsengpässen und unhaltbaren Zuständen in den Betrieben: »SED = selten etwas da«. Sehr deutlich spiegeln die Briefe Gedanken, Kritik, Ängste und die zunehmende Wut der Bevölkerung wider. Ihre Adressaten erreichten diese Schreiben nie, dafür sorgte die Stasi, die täglich ca. 100.000 Briefe kontrollierte.

Siegfried Suckut, geboren 1945, ist promovierter Politologe. Von 1978 bis1992 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Geschichte und Politik der DDR an der Universität Mannheim. 1992 Mitbegründer der Abteilung Bildung und Forschung in der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR in Berlin, dort Fachbereichsleiter und von 1997 bis 2005 Leiter dieser Abteilung.

Textauszug

DDR-Bürger schreiben ihrer Regierung
Dokument 1
März 1964: Anonymer Brief aus Ost-Berlin an Ministerpräsident Chruschtschow, Moskau347

Berlin, den 12. März 1964

An die vier Siegermächte!

Bitte nehmen Sie Vernunft an und bereinigen Sie 19 Jahre nach Kriegsschluß endlich die deutsche Frage. Sie ist kein Problem! Bundesrepublik und DDR sind erst nach dem Kriege entstandene Gebilde und waren laut Abkommen der Siegermächte nur als Provisorien gedacht. Sie haben nie einen Krieg geführt, können auch keinen Friedensvertrag abschließen. Selbstbestimmungsrecht für alle Völker der Erde, auch für die Deutschen! Freie gesamtdeutsche Wahlen für eine gesamtdeutsche Volksvertretung, mit der alle vier Siegermächte den Friedensvertrag abschließen. Ausgangspunkt ist das Deutschland von 1937. Alle vier Siegermächte müssen korrekt angeben, was sie bereits als Kriegsbeute entnommen haben. Darüber entscheiden erst die Friedensverhandlungen.

Man werfe uns Deutschen nicht ewig die Nazizeit vor. Die breite Masse des Volkes konnte sich gegen den Nazi-Terror genau so wenig wehren wie wir Ostdeutschen jetzt gegen den Kommunisten-Terror. Unsere Geschichte ist nicht halb so grausig wie die der Siegermächte. Wir haben kein Massenmorden bei Revolutionen und Thronstürzen veranstaltet. Wir haben unsere Herrscherfamilien nicht abgeschlachtet, als sie wehrlos waren. Die Siegermächte mögen sich mal die Landkarte ansehen. Was für enorme Gebiete haben sie sich in Europa, Asien, Afrika und Übersee einverleibt. Unserem begabten und tüchtigen, aber nicht so gerissenen Volke blieb kaum die Luft zum Atmen. Sind dann Explosionen verwunderlich?

Und das jüdische Volk sei gefragt: Wer hat den Rassenhaß in die Welt gesetzt? Wer preist sich als das auserwählte Volk, das alle anderen Völker wie Aussatz ansieht und Vermischung mit ihnen als Besudelung ihres edlen Blutes ablehnt? Die Juden mögen sich dann nicht wundern, wenn überall der Bumerang zurückschnellt. Die Deutschen haben jedenfalls die Judenpogrome nicht erfunden, die kommen aus dem Osten. In Deutschland ging es den Juden Jahrhunderte lang besser als in anderen Völkern. Wenn die Juden ihre eigene Wurst gebraten haben wollen, dann auf ihrem eigenen Herd. Sie müssen sich schon ein eigenes Vaterland erkämpfen wie all die anderen Völker. Nur immer zum Absahnen in fremde Staaten kommen, muß Unwillen hervorrufen.

Und das russische Volk sei daran erinnert, daß es keine 40 Jahre her sind, da die Russen westlichen Ausländern, vornehmlich Deutschen, dankbar die Hände küßten für all die Belehrungen, die sie von ihnen empfingen. Es sei auch daran erinnert, daß die Raketen, die sie in den Kosmos schicken, die deutsche Erfindung aus Peenemünde ist, die sie als Kriegsbeute mitgenommen haben.

Warum klammern sich die Sowjets so heftig an Karl Marx? Er war ein arroganter Schwätzer, der die Ideen anderer zusammenmischte. Er war nie ein Arbeiter und hat sich meist von anderen ernähren lassen. Er hat auch keine Arbeiterin geheiratet und beglückt, sondern sich in den Adel eingeschlichen. Sollten wir Menschen des 20. Jahrhunderts nicht auf eigene bessere Lösungen der Gesellschaftsprobleme kommen? Unheil haben wir genug erlebt. Hinweg mit jeglichem Partei-Terror!

Ostberliner Arbeiter

Dokument 2
Juli 1966: Brief mit Unterschrift aus Bautzen an das Politbüro der SED

86 Bautzen, den 25. Juli 1966

An das Politbüro des ZK der SED

z. Hd. des Ersten Sekretärs

Genossen Walter Ulbricht

108 Berlin

Werte Genossen!

In weiten Kreisen der Arbeiterklasse besteht die Meinung, daß in letzter Zeit die Interessen der Arbeiterklasse nur ungenügend wahrgenommen worden sind, und unsere Republik viel mehr einen Staat der sogenannten »Intelligenz«, der reichen Handwerker und Gewerbetreibenden, der überbezahlten Komplementäre halb

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet