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Identitäten. Die Fiktionen der ZugehörigkeitOverlay E-Book Reader
Kwame Anthony Appiah

Identitäten. Die Fiktionen der Zugehörigkeit

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Produktdetails

Verlag
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Liveright Publishing Corporation
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
320
Infos
320 Seiten
ISBN
978-3-446-26510-3

Kurztext / Annotation

'Appiah zerlegt die Dogmen und die Propaganda, die harnäckig bestimmen, wie wir über Identität sprechen.' Zadie Smith
In den politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart wird immer wieder eine Kategorie aufgerufen: Identität. Wer sind wir? Oder besser: Was sind wir? Diese Fragen beantworten wir gewohnheitsmäßig mit kollektiven Kategorien wie Religion, Nationalität, Hautfarbe, Klasse oder Kultur. Kwame Anthony Appiah zeigt, dass hinter den politischen Kategorien von Zugehörigkeit und Abgrenzung häufig paradoxe Zuschreibungen stehen, und schöpft dabei aus einem schier unendlichen Reservoir historischen Wissens sowie persönlicher Erfahrungen - und schafft mit dem Handwerkszeug des Philosophen Ordnung und Orientierung in einer häufig unübersichtlichen und politisch brisanten Diskussion. Sein Buch ist grundlegende Lektüre für eine komplexe Welt.

Kwame Anthony Appiah, geboren 1954 in London und aufgewachsen in Ghana, studierte in Cambridge und bekleidet heute nach Professuren in Yale, Cornell, Duke, Harvard und Princeton einen Lehrstuhl für Philosophie und Jura an der New York University. Seit 2009 schreibt er eine Ethik-Kolumne für das New York Times Magazine.

Textauszug

 

 

Über Identität sprechen

 

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hätte niemand, der nach der Identität eines Menschen fragte, die Kategorien race, Gender, Nationalität, Region oder Religion erwähnt. Wenn George Eliot in Middlemarch schreibt, Rosamond hätte »fast das Bewusstsein ihrer Identität« verloren, weil ihre Protagonistin mit tiefgreifenden neuen Erfahrungen konfrontiert ist, als sie erfährt, dass Will Ladislaw, der Mann, den sie zu lieben glaubt, hoffnungslos in eine andere verliebt ist.1 Identität ist hier etwas ganz Besonderes und Persönliches. Die Identitäten, an die wir heute denken, haben wir dagegen meist mit Millionen oder Milliarden anderen Menschen gemeinsam. Sie sind sozialer Natur.

In den sozialwissenschaftlichen Theorien des frühen 20. Jahrhunderts sucht man nach solchen Identitäten vergebens. In seinem 1934 veröffentlichten Buch Mind, Self, and Society skizzierte George Herbert Mead eine einflussreiche Theorie des Selbst als Produkt eines »Ich«, das auf die sozialen Anforderungen der anderen reagiert und durch deren Verinnerlichung das »Mich«, wie er dies nannte, herausbildet. Doch in diesem bedeutenden klassischen Werk des soziologischen Denkens im frühen 20. Jahrhundert findet sich nirgendwo der Begriff der Identität in unserem modernen Sinne. Von Identität begann man in nennenswertem Umfang erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu sprechen, und zwar in der Sozialpsychologie, mit dem einflussreichen Werk des Psychologen Erik Erikson. In seinem ersten Buch, Kindheit und Gesellschaft, das 1950 erschien, verwendet er den Ausdruck in mehr als einer Bedeutung. Vor allem aber erkannte er, wie wichtig soziale Rollen und die Zugehörigkeit zu Gruppen für die Ausbildung eines Selbstbewusstseins sind, das er in psychoanalytischer Manier als »Ich-Identität« bezeichnete. Später erforschte Erikson die Identitätskrisen im Leben Martin Luthers und Mahatma Gandhis und veröffentlichte Bücher mit Titeln wie Identität und Lebenszyklus (1959), Jugend und Krise (1968) und Dimensionen einer neuen Identität (1974).

Erikson, der in Südwestdeutschland aufwuchs, erzählt über seine Herkunft eine Geschichte, die den Kern unserer heutigen Vorstellungen trifft:

 

Mein Stiefvater war der einzige (und hochgeachtete) Akademiker aus einer streng jüdischen Kleinbürgerfamilie, während ich selbst (mit meiner gemischt-rassischen, skandinavischen Herkunft) blond und blauäugig war und zu auffälliger Größe heranwuchs. Alsbald galt ich daher in der Synagoge meines Stiefvaters als »Goy« - während ich für meine Schulkameraden ein »Jude« war.

 

Ich denke, während die jüdische Gemeinde die jiddische Bezeichnung für einen Nichtjuden verwendete, dürften die deutschen Kinder nicht immer ein so höfliches Wort wie »Jude« benutzt haben. Sein biologischer Vater war ein Däne namens Salomonsen gewesen; sein Stiefvater hieß Homburger. Irgendwann nahm er den Familiennamen Erikson an, womit er gleichsam zum Ausdruck brachte, wie seine Tochter einmal trocken bemerkte, dass er sein eigenes Geschöpf war.2 Daraus können wir mit Gewissheit schließen, dass Identität für ihn selbst eine stark belastete Frage war.

In seinem ersten Buch legte Erikson eine Theorie vor, in der er darlegte, warum »wir« - und angesichts unseres Themas ist es interessant, dass er damit »wir Amerikaner« gemeint haben dürfte - uns gerade zu diesem Zeitpunkt »mit der Identität beschäftigen, da diese problematisch geworden ist. Und zwar beginnen wir damit in einem Lande, in dem sich eben aus all den durch die Einwanderer importierten Identitäten eine Super-Identität bilden will; und der Zeitpunkt unseres Unternehmens ist der der rasch wachsenden Mechanisierung, welche die im Wesentlichen bäuerlichen und patriarchalischen Identitäten auch in den Ursprungslä

Beschreibung für Leser

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