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Alan Gratz

Vor uns das Meer

Drei Jugendliche. Drei Jahrzehnte. Eine Hoffnung

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Produktdetails

Verlag
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Erschienen
2020
Sprache
Deutsch
Seiten
304
Infos
304 Seiten
ab 12 Jahre
ISBN
978-3-446-26698-8

Kurztext / Annotation

Drei Jugendliche, drei Jahrzehnte, eine Hoffnung: ANKOMMEN. Drei packende und bewegende Fluchtgeschichten von 1939, 1994 und 2015
Wenn das eigene Zuhause zu einem Ort der Angst und der Unmenschlichkeit wird, ist es kein Zuhause mehr. Josef ist 11, als er 1939 mit seiner Familie aus Deutschland vor den Nazis fliehen muss. Isabel lebt im Jahr 1994 in Kuba und leidet Hunger - auch sie begibt sich auf eine gefährliche Reise in das verheißungsvolle Amerika. Und der 12-jährige Mahmoud verlässt im Jahr 2015 seine zerstörte Heimatstadt Aleppo, um in Deutschland neu anzufangen. Alan Gratz verwebt geschickt und ungemein spannend die Geschichten und Schicksale dreier Kinder aus unterschiedlichen Zeiten. Er erzählt unsentimental und gerade dadurch ergreifend. Ein zeitloses Buch über Vertreibung und Hoffnung, über die Sehnsucht nach Heimat und Ankommen.

Alan Gratz ist Autor vieler von der Kritik gefeierter Bücher für Kinder und Jugendliche. Er wurde 1972 in Knoxville, Tennessee geboren und lebt mit seiner Frau und Tochter im westlichen North Carolina. Nach seinem erfolgreichen Kinderbuch Amy und die geheime Bibliothek (2019) erscheint im Frühjahr 2020 mit Vor uns das Meer sein erstes Buch für jugendliche Leser bei Hanser.

Textauszug

Mahmoud

Aleppo, Syrien - 2015

Mahmoud Bishara war unsichtbar, und genau so sollte es sein. Denn unsichtbar zu sein bedeutete für ihn zu überleben.

Natürlich war er nicht wirklich unsichtbar. Wenn man sich Mahmoud genau anschauen und einen Blick unter seine Kapuze werfen würde, die er immer bis tief in sein Gesicht gezogen trug, dann würde man einen zwölfjährigen Jungen mit einer langen, markanten Nase, dichten schwarzen Augenbrauen und kurzen schwarzen Haaren sehen. Er war stämmig, und seine Schultern waren breit und muskulös - trotz der Lebensmittelknappheit. Allerdings tat er alles, um seinen Körper und sein Gesicht zu verbergen, damit er nicht auffiel. Man konnte jederzeit aus dem Nichts von einer Rakete aus einem Kampfflieger getroffen werden oder von dem Raketenwerfer eines Soldaten. Der Tod konnte einen jederzeit erwischen, vor allem dann, wenn man nicht damit rechnete. Doch auffällig herumzulaufen und deshalb von der syrischen Armee oder den Rebellen entdeckt zu werden, die gegen die Armee kämpften, war blanker Leichtsinn.

Mahmoud saß in der mittleren Tischreihe in seiner Klasse, dort, wo der Lehrer ihn nicht aufrufen würde. Die Tische waren so groß, dass je drei Schüler an ihnen Platz hatten. Mahmoud saß zwischen zwei Jungen namens Ahmed und Nedhal.

Ahmed und Nedhal waren nicht seine Freunde. Mahmoud hatte keine Freunde.

Ohne Freunde war es leichter, unsichtbar zu bleiben.

Ein Lehrer ging draußen auf dem Flur entlang und läutete eine Handglocke. Mahmoud packte seinen Rucksack zusammen und machte sich auf die Suche nach seinem kleinen Bruder Walid.

Walid war zehn Jahre alt, er war zwei Klassen unter Mahmoud. Auch er hatte kurze schwarze Haare, doch mit seinen schmalen Schultern, seinen dünnen Augenbrauen, seiner flachen Nase und den größeren Ohren kam er mehr nach seiner Mutter. Seine Zähne wirkten zu groß für seinen Kopf, und wenn er lächelte, sah er aus wie ein Zeichentrick-Eichhörnchen. Nicht dass Walid noch viel lächeln würde. Mahmoud konnte sich nicht mehr erinnern, wann er seinen Bruder zum letzten Mal hatte lachen, weinen oder überhaupt irgendein Gefühl zeigen sehen.

Der Krieg hatte Mahmoud nervös gemacht, reizbar, paranoid. Seinen kleinen Bruder dagegen hatte er in einen Roboter verwandelt.

Obwohl ihre Wohnung nicht weit weg war, nahmen Mahmoud und Walid jeden Tag einen anderen Weg nach Hause. Manchmal gingen sie durch die Seitengassen - auf den größeren Straßen hielten sich oft Kämpfer der Armee auf, die wiederum ein Angriffsziel für die Rebellen waren. Außerdem waren zerbombte Häuser gut, um sich zu verstecken. Mahmoud und Walid konnten einfach zwischen den Bergen aus verbogenem Metall und zerbröckeltem Zement verschwinden, und es gab auch keine Wände mehr, die auf sie herabstürzen konnten, wenn ein Artilleriegeschoss über sie hinwegfegte. Wenn allerdings ein Flugzeug eine Fassbombe abwarf, dann brauchte man auf jeden Fall Wände. Fassbomben waren mit Nägeln und Metallsplittern gespickt, und wenn man keine Wand hatte, hinter der man in Deckung gehen konnte, wurde man in Stücke gerissen.

Es war nicht immer so gewesen. Noch vor vier Jahren war Mahmouds Heimatstadt Aleppo die größte, hellste und modernste Stadt in Syrien gewesen. Ein Kronjuwel des Mittleren Ostens. Mahmoud erinnerte sich an knallbunte Einkaufszentren, glänzende Hochhäuser, Fußballstadien, Kinos und Museen. Aleppo hatte eine lange Geschichte hinter sich - eine sehr lange sogar. Die Altstadt im Herzen Aleppos war im zwölften Jahrhundert erbaut worden, und bereits vor achttausend Jahren hatten Menschen das Gebiet um die Stadt herum besiedelt. Es war wunderbar gewesen, in Aleppo zu leben und aufzuwachsen.

Doch dann, im Jahr 2011, kam der Arabische Frühling nach Syrien.

Damals wurde er noch nicht so genannt. Niemand ahnte, dass eine ganze

Beschreibung für Leser

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