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Tanja Sappok, Sabine Zepperitz

Das Alter der Gefühle

Über die Bedeutung der emotionalen Entwicklung bei geistiger Behinderung

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Produktdetails

Verlag
Hogrefe AG
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
208
Infos
208 Seiten
ISBN
978-3-456-75955-5

Kurztext / Annotation

Geistige Behinderung ist kein rein kognitives Problem, auch die (sozio-)emotionale Entwicklung kann beeinträchtigt sein und verzögert oder unvollständig ablaufen. Dadurch entstehen unter Umständen schwere Verhaltensauffälligkeiten und in der Folge psychische Störungen. Dies kann zu weitreichenden Konsequenzen wie vermeidbaren Krankenhausaufenthalten, hohen psychopharmakologischen Behandlungen, Arbeits- und Wohnplatzverlust bis hin zur Exklusion aus der Gesellschaft führen. Unter Einbezug des emotionalen Entwicklungsaspekts ermöglichen Tanja Sappok und Sabine Zepperitz einen neuen, ganzheitlichen Blick auf Menschen mit geistiger Behinderung. Verhaltensauffälligkeiten können vor diesem Hintergrund besser verstanden und zielgerichtete pädagogisch-therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Die Autorinnen tragen mit 'Das Alter der Gefühle' dazu bei, die psychische Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit geistiger Behinderung substanziell zu verbessern, indem sie allen im Gesundheitswesen und in der Eingliederungshilfe Tätigen ein wirksames Hilfsmittel zur Hand geben, um die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern. Das Buch wurde für die zweite Auflage grundlegend überarbeitet - es wurde unter anderem an das neue Diagnostikinstrument SEED angepasst, das Zusammenspiel von emotionaler Entwicklung und psychischer Erkrankung wird neu thematisiert und das Entwicklungsmodell um die Phase der 2. Individuation bzw. der Adoleszenz erweitert.

Textauszug

Abbildung 4: Die Neuroanatomie des emotionalen Gehirns: Funktionen der verschiedenen Ebenen des limbischen Systems (Pfeile links) und Entstehungszeit (rechts). Beachte: Die Funktionen der unteren und mittleren limbischen Ebene laufen unbewusst ab.


Die untere limbische Ebene besteht aus dem Zwischenhirn (Hypothalamus, vegetative Hirnstammzentren, periventrikuläres Höhlengrau) und der zentralen Amygdala. Diese Strukturen entwickeln sich überwiegend schon vor der Geburt. Hier werden vegetative und basale Überlebensfunktionen wie Essen, Sexualtrieb und Fluchtreaktionen gesteuert. Auch das Stressregulationssystem und autonome Körperfunktionen wie Schwitzen oder die Herzfrequenz sind hier lokalisiert. Die in diesem Teil des limbischen Systems lokalisierten Prozesse laufen überwiegend unbewusst ab und sind genetisch bzw. epigenetisch determiniert. Basale Hirnfunktionen der Neugeborenenphase werden in diesen Hirnstukturen reguliert. Die hier beschriebenen Funktionen des emotionalen Gehirns sind nur minimal durch Erziehung oder Lebensereignisse beeinflussbar.


In der sogenannten mittleren limbischen Ebene (mesolimbisches System) werden Emotionen im Rahmen frühkindlicher Bindungserfahrungen konditioniert, d. h. der Heranwachsende lernt im interaktiven Kontakt mit den nächsten Bezugspersonen eigene, aber auch fremde Gefühle wahrzunehmen, zu differenzieren und zu verstehen (Kernberg, 2012). Basale emotionale Funktionen wie Angst, Trauer, Ekel, Freude und Wut werden hier determiniert. Dieser Teil des limbischen Systems besteht überwiegend aus subkortikalen Hirnregionen wie der basolateralen Amygdala, dem ventralen Tegmentum und dem Nucleus accumbens bzw. ventralen Striatum. Diese Hirnstrukturen bilden sich pränatal bzw. während der ersten Lebensmonate und -jahre heraus. Hier sind die Regelkreise für die nonverbale Kommunikation lokalisiert, d. h. emotional-kommunikative Signale werden erkannt und verarbeitet. Darüber hinaus gehört das innere Belohnungssystem (endogene Opioide; Dopamin) als Basis für die Verhaltensmotivation dazu. Diese Hirnfunktionen laufen überwiegend unbewusst ab. Die Meilensteine der emotionalen Entwicklung, die beim Säugling bzw. Kleinkind zu beobachten sind, werden insbesondere in diesen Hirnregionen reguliert.


Die obere limbische Ebene ist im assoziativen Neokortex lokalisiert, und zwar v. a. im orbitofrontalen, ventromedial präfrontalen, anterior zingulären und insulären Kortex. Hier findet die bewusste Gefühlswahrnehmung und soziale Motivation statt. Fähigkeiten wie Impulskontrolle, Belohnungsaufschub, Frustrationstoleranz, Empathie und Abwägen der Konsequenzen des eigenen Handelns werden in diesem Bereich gesteuert. Dadurch können Risiken realistisch eingeschätzt und das Handeln bewusst gesteuert werden. Auch moralisches Denken ist hier verankert. Diese beschriebenen Kompetenzen bilden sich im Kontakt mit dem weiteren sozialen Umfeld aus, also Freunden, Schulkameraden, weiteren Familienangehörigen etc. Umgebungsfaktoren und die sensorische Wahrnehmung der Umgebung beeinflussen die emotionale Reaktivität und die zur Verfügung stehenden Emotionsregulationsstrategien (Aldao und Nolen-Hoeksema, 2012). Die verschiedenen vegetativen, sensorischen, motorischen und kognitiven Funktionen haben im Zusammenspiel mit Umgebungsfaktoren einen Einfluss auf die Entwicklung des sogenannten emotionalen Gehirns und damit auf instinktive Überlebensreaktionen und Temperament, die Emotionsregulation und -steuerung sowie die soziale Angepasstheit einer Person. Das obere limbische System bildet sich in der späteren Kindheit und der Adoleszenz heraus.


Zusammenfassend bilden verschiedene Hirnstrukturen und deren Verknüpfungen die architektonischen Bestandteile des sogenannten emotion

Beschreibung für Leser

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