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Produktdetails

Verlag
Insel Verlag
Erschienen
2017
Sprache
Deutsch
Seiten
127
Infos
127 Seiten
ISBN
978-3-458-75676-7

Kurztext / Annotation

Hesse schildert die Lebensgeschichte des Heiligen bewußt im legendären Tonfall der Überlieferung, wie er sie u.a. in der mittelalterlichen Franziskus-Biographie des Thomas de Celano, Bonaventuras und den damals neuesten Darstellungen von Henry Thode und Paul Sabatier vorfand.



Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.

Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin.

Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Textauszug

Legenden
Sankt Franziskus erklärt dem Bruder Leo, was vollkommene Freude ist

Es wanderte einstmals St. Franziskus, da es Winterszeit war, mit dem Bruder Leo des Weges von Perugia nach Santa Maria zu den Engeln, und litt nicht geringe Not von der strengen Kälte. Da rief er den Bruder Leo an, welcher ihm vorauswandelte, und sprach zu selbigem: »Bruder Leo, wenn auch unsere Brüder allerorten ein großes Vorbild der Heiligkeit und Erbauung geben, trotzdem schreibe Du und bewahre es wohl im Geiste, daß hierin nicht vollkommene Freude zu finden sei.« Und nach einer Strecke Weges rief er abermals: »O Bruder Leo, wenn unsere Brüder die Blinden und Krüppel heilten und die Dämonen austrieben und den Tauben zu hören, den Lahmen zu gehen und den Stummen zu reden verliehen, ja, wenn sie, was noch mehr ist, Gestorbene nach vier Tagen auferweckten - schreibe, daß auch dieses nicht vollkommene Freude ist.« Und abermalen nach einer Weile rief er laut: »O Bruder Leo, wenn die Minoriten sich auf alle Sprachen und Wissenschaften verstünden, so daß sie weissagen könnten und nicht allein die zukünftigen Dinge, sondern auch die Geheimnisse der Herzen und Gewissen zu offenbaren vermöchten - schreibe, daß auch dieses nicht vollkommene Freude ist.« Und nochmals weiterschreitend rief St. Franziskus: »O Bruder Leo, Du Schäflein Gottes, wenn unsere Brüder auch der Engel Sprache redeten und wenn sie den Gang der Sterne und die Kräfte der Gewächse kennten, wenn ihnen alle Schätze der Erde offenbar wären und wenn sie die Kräfte der Vögel und der Fische, auch aller Tiere und Menschen, der Bäume und Gesteine, Wurzeln und Gewässer wüßten - schreibe, daß dies nicht die vollkommene Freude ist.« Und wiederum ging er weiter und rief wiederum: »Bruder Leo, wenn unsere Brüder auch so gut zu predigen verstünden, daß sie alle Ungläubigen bekehrten - schreibe, daß auch dies nicht die vollkommene Freude ist.«

Unter solchem Gespräche waren sie wohl zwei Meilen gewandert, da sprach Bruder Leo, mit großer Verwunderung fragend, zu ihm: »Vater, ich flehe Dich um Gottes willen, daß Du mir sagst, was denn die vollkommene Freude sei.« Und St. Franziskus antwortete ihm: »Wir werden in Santa Maria ankommen, durchnäßt vom Regen und steif von der Kälte, mit Schmutz bedeckt und von Hunger verzehrt, und werden anklopfen, und der Pförtner wird zornig sein und sagen: Wer seid Ihr? - Und wir antworten: Zwei von Euren Brüdern. Und wenn er dann erwidert: Was Ihr sagt, ist gelogen, Ihr seid vielmehr zwei Landstreicher, welche umherziehen und die Welt betrügen und die Armen um ihre Almosen bringen, geht fort von hier! - Und wenn er uns alsdann nicht öffnet, sondern läßt uns draußen stehen in Schnee und Regen, auch Hunger und Frost bis in die Nacht - und wenn wir alsdann solches Unrecht und Mißhandlung in Geduld ertragen, ohne zu zürnen, und wenn wir denken, daß der Pförtner recht habe, uns als so Unwürdige zu erkennen, und daß Gott ihn so reden heißt - o Bruder Leo, schreibe, daß dieses vollkommene Freude ist. Denn höre, Bruder Leo! Höher als alle Gaben und Segnungen des Geistes, welche Christus den Seinen verleiht, ist dieses: sich selbst überwinden und gern aus Liebe zum Heiland Strafe und Schimpf und Leiden erdulden.«

Wie St. Franziskus dem Bruder Masseo antwortete

Einstmals verweilte St. Franziskus in dem Kloster Portiuncula mit dem Bruder Masseo von Marignano, welchen er überaus liebhatte. Eines Tages nun, da St. Franziskus aus dem Walde heimkehrte, wo er gebetet hatte, und am Rande des Waldes stand, wollte eben jener Bruder Masseo seine Demut auf eine Probe stellen. Also trat er gegen ihn hin und rief scheltenderweise ihm zu: »Warum Dir? Warum Dir? Warum Dir?« Antwortete St. Franziskus: »Was will diese Deine Rede bedeuten?« Sprach Bruder Masseo: »Das bedeutet: warum läuft denn Dir alle Welt nach, so daß, wie es scheint, jedermann danach verlangt, Dich zu sehen, Dich zu hören und Dir zu dienen? Dein Körper ist nicht so sonderl

Beschreibung für Leser

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Über den AutorIn

Hermann Hesse, geb. am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.