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Nils Binnberg

Ich habe es satt!

Wie uns Ernährungsgurus krank machen

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Produktdetails

Verlag
Suhrkamp Verlag
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
200
Infos
200 Seiten
ISBN
978-3-518-75953-0

Kurztext / Annotation

'Ich leide an Orthorexia Nervosa. Den Begriff kenne ich selbst erst seit kurzem, er beschreibt den Zwang, gesund zu essen. Klingt doch gut, meinen Sie? Ist es aber nicht. Ich folge zwanghaft jeder neuen Gesundheitslehre. Beim Verzehr alltäglicher Nahrungsmittel fühle ich mich mittlerweile wie ein Selbstmörder. Ich bin übrigens nur einer von einer Millionen Betroffenen in Deutschland. Beim Mittagessen können wir uns ganz ungezwungen über Fesselsex wie in »Fifty Shades Of Grey« unterhalten. Aber wir verkrampfen, wenn ein Brotkorb herumgereicht wird.

Wann hat unsere Dauer-Diät begonnen? Was versuchen wir zu kontrollieren? Ist es wirklich nur der Wunsch nach grenzenloser Jugend und überirdischer Schönheit? Oder brauchen wir eine Ersatzreligion, weil wir sonst nichts mehr haben, woran wir glauben können? Ich suche Antworten auf diese Fragen und fange bei mir an. Weil mein Leben, wie ich mir eingestehen muss, gerade den Bach runtergeht. . . '



Nils Binnberg, 1976 in Hannover geboren, studierte in Köln Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, englische Philologie und Völkerkunde. Nach vielen Jahren als Autor und Reporter für die Deutsche Welle und den WDR schrieb er für GQ, WamS und die Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung. Heute lebt er in Berlin und ist Autor für Radiofeatures. Ich habe es satt! ist sein erstes Buch.

Textauszug

Der Tag, an dem das Essen
seine Unschuld verlor

Wie die meisten erinnere ich mich an den Moment, an dem ich mich das erste Mal zu dick fühlte. Ich kann auch mit absoluter Genauigkeit abrufen, wie sich mein Wille formte, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen.

Menschen wollen aus den unterschiedlichsten Motiven Gewicht verlieren. Bei dem einen ist es ein Besuch beim Arzt, die schockierende Diagnose, nicht gesund zu sein. Andere stellen eines Tages beim Wiegen fest, dass sie, ohne es zu merken, eine Art Kampfgewicht erreicht haben. Wieder andere erleben einen Moment der Selbstentfremdung. Der Anblick im Spiegel oder auf einem Foto wird von heute auf morgen zum Weckruf. Sie erkennen den Pfundsmenschen, der ihnen entgegenschaut, einfach nicht mehr.

Tatsächlich sind diese drei Ereignisse die häufigsten Auslöser für eine Diät. In meinem Fall war es die Waage. Doch ehe ich überhaupt auf die Idee kam, eine zu betreten, bedurfte es eines anderen Zwischenfalles. Er liegt schon etliche Jahre zurück.

Mein Freund und ich waren gemeinsam für ein paar Tage nach Italien gereist, in unseren Sehnsuchtsort Neapel. Es war Spätsommer, Neapel verströmt um diese Jahreszeit eine wilde Hitze, die die Ruhe des bevorstehenden Herbstes noch nicht erahnen lässt. Wir wohnten in einem malerischen Barockhaus in Sanità, einem alten Mafia-Viertel.

Die Stadt ist für so viele Dinge berühmt. Ihre kunstvollen Kapellen und den Blick auf die Amalfiküste mit dem Vesuv im Hintergrund. Die exklusiven Kunstgalerien und die fantasievollen Taxipreise. Am meisten aber für ihre Küche. Für mich war das Essen fast immer das Ausschlaggebende auf einer Reise. Während andere die Routen ihres Lebens nach den weichsten Stränden oder kennerischsten Kunstsammlungen planten, führte mich die Liebe zum Essen rund um die Welt; so auch zu Neapels leicht verbrannter Pizza, die mit ihrem charakteristischen Geschmack aus säuerlichem Teig und dem Püree süßer DOP-Tomaten immerhin zum Weltkulturerbe zählt.

Wir besuchten einfache Trattorien in der Camorra-Zone, in denen sich der warme Duft von sautiertem Speck wie Nebel über den Raum legte, nussige Parmesan-Aromen aus der Küche wehten und der Salzwasserdampf von frischer Pasta unsere Nasen kitzelte. An anderen Abenden aßen wir in einem kleinen Weinkeller oder gönnten uns ein Fine-Dining-Menü am Hafen. Ich hätte mir in diesen rauschhaften Momenten nie vorstellen können, beim Essen irgendwann einmal kein Glück mehr zu empfinden. Oder dass die Neugierde auf Aromen, die Freude an einem geselligen Abend bald nur noch Erinnerungen wären.

Doch genau in diesem Urlaub entstanden sie, die ersten Risse in meiner Liebe. Es war erst nur ein Bauchgefühl. Doch das nistete sich für viele Jahre in meinem Kopf ein.

Wir hatten den vorletzten Tag auf Capri verbracht. Es war mein 33. Geburtstag. An sich kein bemerkenswertes Datum im Leben eines Menschen, und doch hat es sich in meine Erinnerung gebrannt, als Tag meines letzten Festmahls.

Wir hatten einen Tisch beim romantischsten Italiener der Insel reserviert. »Da Paolino« liegt inmitten eines Zitronenbaumwäldchens, damals, zur Erntezeit, baumelten uns faustgroße Zitronen vor der Nase. Wir bestellten den Klassiker »Spaghetti Paolino«, handgemachte Pasta mit gerösteten Kirschtomaten, Anchovis und Kapern. Danach ein scharf gebratenes Kalbskotelett. Zum Anstoßen gönnten wir uns ein paar Gläschen Limoncello. Ein bonbonwassersüßer Schnaps, aus den Zitronen des Wäldchens gebrannt.

Noch vor dem zweiten Gang wurden wir Zeuge einer Szene, die sich zwei Tische entfernt abspielte. Eine kleine Traube japanischer Touristen stand wild kichernd vor dem Tisch einer unscheinbaren, recht übergewichtigen Frau mit einem sympathischen lauten Lachen. Als sich die kleine Ansammlung auflöste, mussten wir mehrmals hinschauen, um zu erkennen, auf was sie den Blick freigegeben hatte. War das nicht dieser Ja

Beschreibung für Leser

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