0 0,00*
»Von Morgenröten, die noch nicht geleuchtet haben«Overlay E-Book Reader
Peter Weibel

»Von Morgenröten, die noch nicht geleuchtet haben«

Ein Symposium zu Peter Sloterdijk

EPUB sofort downloaden
Downloads sind nur in Italien möglich!


Produktdetails

Verlag
Suhrkamp Verlag
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
287
Infos
287 Seiten
ISBN
978-3-518-76035-2

Kurztext / Annotation

Mit einem für Peter Sloterdijks Haltung repräsentativen Zitat von Friedrich Nietzsche (Ecce homo) leitete das Zentrum für Medien und Kunst in Karlsruhe das Symposium ein, das den 70. Geburtstag des in Karlsruhe geborenen Zeitdiagnostikers zum Anlass nahm, das Werk in seiner Provokationskraft auszuleuchten. Peter Weibel begründete das Vorhaben: »Als Peter Sloterdijk mit seiner ersten großen Publikation Kritik der zynischen Vernunft 1983 die Bühne der Philosophie betrat, brachte er sie gleich(sam) zum Erbeben, denn bereits der erste Satz verkündete in hohem Ton: ?Seit einem Jahrhundert liegt die Philosophie im Sterben und kann es nicht, weil ihre Aufgabe nicht erfüllt ist.? Seit diesem Zeitpunkt hat Peter Sloterdijk an die 100 Bücher publiziert, in denen er in einer neuen Weise über die Welt philosophiert. Auch wenn die Philosophie nicht mehr existieren sollte, so existieren die Philosophen doch weiter - als Denker, die sich der Wissenschaft entgegenstellen, und als Dichter, die sich der Kunst widersetzen. Peter Sloterdijk schuf als Dichter, Philosoph und Wissenschaftler eine neue Sprache des Denkens, weil er die Vergangenheit der Philosophie und die Sprache der Vergangenheit ablehnt. Er ringt dem Denken eine neue Sprache beziehungsweise der Sprache ein neues Denken ab.«

Beiträge von:

Norbert Bolz, Hans Ulrich Gumbrecht, Gunnar Heinsohn, Jochen Hörisch, Christoph Ingenhoven, Laurens ten Kate, Efrain Kristal, Michael Maar, Thomas Macho, Olivier Mannoni, Michael Mönninger, Heiner Mühlmann, Isidoro Reguera, Werner Sobek, Nigel Thrift, Peter Trawny, Sjoerd van Tuinen

Textauszug

Norbert Bolz

Der souveräne Denker

Es gibt drei Wege zum souveränen Denken. Allerdings sind sie nicht in gleicher Weise gangbar. Da ist, erstens, der Weg einer Wiederholung der Antike auf der Spitze der Modernität - also der Weg Nietzsches. Friedrich Kittler wollte ihn noch einmal gehen, aber sein Werk macht heute doch den Eindruck einer abgebrochenen Freitreppe. Und schon Nietzsche konnte ja nur den Denker dichten, der den Weg gehen sollte, nämlich Zarathustra. Das ist ein Weg des Übermuts, den Nietzsche selbst Großmut und den seine Kritiker Hochmut genannt haben.

Da ist, zweitens, der Weg in den Abgrund der Langeweile im Posthistoire, der sich überraschenderweise gerade dem Letzten Menschen eröffnet - allerdings unter der Voraussetzung, dass er sich von Heidegger anleiten lässt. Das ist der Weg, den die Demut vor dem Sein eröffnet - der Weg zu dem, was Heidegger das »wesentliche Denken« genannt hat.

Und da ist, drittens, der Weg des Freimuts. Auf diesem Weg werden wir meinen Helden treffen. Doch sehen wir näher zu.

Philosoph ist, wer sich nicht von unwichtigen Fragen ablenken lässt. Aber das wird unter modernen Lebensbedingungen immer schwieriger. Dass das philosophische Leben heute fast unvermeidlich auf Abwege gerät, hat drei Gründe: Die Politik verführt zum Gefälligkeitsdenken, die Medien verführen zur Selbstinszenierung und die Universität verführt zum Lehrbetrieb. Für Nietzsche war deshalb das philosophische Leben in der modernen Welt unmöglich. »Alles moderne Philosophieren ist politisch und polizeilich, durch Regierungen, Kirchen, Akademien, Sitten und Feigheiten der Menschen auf den gelehrten Anschein beschränkt.«

Dagegen verschreibt der Arzt Nietzsche seiner Kultur eine Dosis Übermut: Riskiert etwas, im Leben wie im Denken! Seid Abenteurer! Wagt es, gefährlich zu denken.

Neugier heißt bei Nietzsche die Freude am X. Auf die Schiffe, ihr Philosophen, seid neugierig, es gibt noch eine Welt zu entdecken! Der souveräne Denker ist also der Philosoph, der sich einschifft und damit einen Schiffbruch riskiert. Kognitiver Heroismus also - und Heldenverehrung.

Einen Helden zu haben scheint ein Privileg der Jugend zu sein. Selbst auf dem trivialen Niveau der Unterhaltung bilden Bewunderung, Enthusiasmus und Heldenverehrung nach wie vor das Medium, in dem sich ein Charakter entwickelt. Und man bleibt genauso lange jung, wie man Helden hat, die man verehrt.

Deshalb hat Nietzsches Zarathustra vor der Verleumdung unserer höchsten Hoffnungen gewarnt: »Wirf den Helden in deiner Seele nicht weg!« Diese Warnung ist dann in Martin Heideggers Hauptwerk über Sein und Zeit Philosophie geworden. Im Kapitel über die Grundverfassung der Geschichtlichkeit spricht Heidegger ausdrücklich davon, »dass das Dasein sich seinen Helden wählt«. Das ist keineswegs metaphorisch gemeint. Indem sich das Dasein seinen Helden wählt, wiederholt es eine faktisch existent gewesene Möglichkeit. Mein Held wirkt als Kraft der Möglichkeit in meinem Dasein. Und gerade indem ich mich vor der Autorität dieser heroischen Existenzmöglichkeit beuge, bin ich meinem eigenen Selbst treu. Die Wiederholung einer überlieferten Existenzmöglichkeit erwidert diese Möglichkeit, widerruft damit die Macht der Vergangenheit und entgegenwärtigt die Gegenwart. So buchstabiert Heidegger Nietzsches Begriff des Unzeitgemäßen. Der entscheidende Effekt, den die Orientierung an der Autorität des Helden hat, ist die »Entwöhnung von den Üblichkeiten«.

Kognitiver Heroismus und Heldenverehrung - das ist die eine Möglichkeit. Aber nicht nur das abenteuerliche Herz und der freie Geist haben die Chance, den Weg zum souveränen Denken zu finden. Auch die Letzten Menschen des Posthistoire könnten herausfinden, was Denken heißt. Und zwar führt ihr Weg exakt in die Gegenrichtung des gefährlichen Lebens, nämlich in die kaleidoskopische Statik des vorsorgenden Wohlf

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet