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Léon Bourgeois

Solidarität

Von den Grundlagen dauerhaften Friedens

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Produktdetails

Verlag
Suhrkamp Verlag
Erschienen
2020
Sprache
Deutsch
Seiten
136
Infos
136 Seiten
ISBN
978-3-518-76344-5

Kurztext / Annotation

»Einen interessanteren Tischnachbarn als Bourgeois habe ich kaum jemals gehabt« - so Bertha von Suttner über den französischen Juristen und Politiker Léon Bourgeois (1851-1925), den sie bei den Haager Friedenskonferenzen kennenlernte und der zu den Initiatoren der Gründung des Völkerbunds 1920 gehörte. Der Frieden, so seine Vision, wird ein Baum sein, unter dem sich die Völker erholen können, und Solidarität ist seine Wurzel. Auch 100 Jahre später ist die Idee einer juristisch geregelten Solidarität als Grundlage dauerhaften Friedens theoretisch und politisch überaus relevant. Es ist also an der Zeit, sich wieder mit Bourgeois zu beschäftigen, dessen berühmter Essay zum Thema sowie weitere seiner zentralen Texte nun erstmals in deutscher Sprache vorliegen.



Léon Bourgeois (1851-1925) war einer der wichtigsten Politiker der Dritten Französischen Republik und gilt als einer der geistigen Väter des Völkerbundes. 1920 erhielt er den Friedensnobelpreis.

Textauszug

7Solidarität

Das Wort Solidarität gehört erst seit wenigen Jahren zum politischen Vokabular. Mitte des Jahrhunderts haben Bastiat[1]  und Proudhon[2]  sehr wohl Phänomene von Solidarität wahrgenommen und aufgezeigt, die sich durch alle menschlichen Gemeinschaften »hindurchziehen«. Doch aus all diesen Beobachtungen ist keine ganzheitliche Theorie hervorgegangen;[3]  jedenfalls setzte sich das Wort nicht durch, und bei Littré findet sich 1877, abgesehen von juristischen und physiologischen Verwendungen, nur eine Definition aus der »Umgangssprache«, das heißt ohne Präzision und Tragweite: »Das ist«, heißt es dort bloß, »die wechselseitige Verantwortlichkeit, die zwischen zwei oder mehreren Personen entsteht.«[4] 

Heutzutage taucht das Wort Solidarität in den politischen Reden und Schriften ständig auf. Zunächst hat man es offenbar für eine einfache Variante des dritten Terminus der republikanischen Losung gehalten: der Brüderlichkeit. Es setzt sich mehr und mehr an dessen Stelle; und der Sinn, den ihm die Schriftsteller, Redner und die öffentliche Meinung beimessen, scheint von Tag zu Tag voller, tiefer und umfangreicher zu werden.

8Handelt es sich hierbei nur um ein neues Wort, um eine Laune der Sprache? Oder drückt dieses Wort nicht tatsächlich eine neue Idee aus, ist es nicht das Indiz für eine Evolution des allgemeinen Denkens?

Erstes Kapitel: Evolution der politischen und sozialen Ideen
I

Der Begriff der Beziehungen zwischen dem Individuum und der Gesellschaft hat sich seit einem Vierteljahrhundert grundlegend gewandelt.

Scheinbar hat sich nichts verändert. Die Debatte zwischen der ökonomischen Wissenschaft und den sozialistischen Schulen vollzieht sich nach wie vor in denselben Termini: Der Individualismus und der Kollektivismus stehen einander in einer Antithese gegenüber, die die politischen Ereignisse so offensichtlich und fassbar machen wie nie zuvor.

Innerhalb und außerhalb Frankreichs geben die Fragen der reinen Politik den sozialen Diskussionen den Vortritt, und die Wahlerfolge der diversen sozialistischen Gruppen in Deutschland, Belgien, Frankreich und anderswo gestatten es, die nahende Stunde zu verkünden, zu der sich die Mehrheiten und die Minderheiten in den Versammlungen ausschließlich ökonomisch bekämpfen und als einzigen Schlachtruf die »liberale« oder »sozialistische« Lösung des Problems der Verteilung des Reichtums wählen.

Doch wie üblich ist der Zustand der Parteien nur eine ungenaue Übersetzung des Zustands der Geister. Die Parteien sind immer hinter den Ideen zurück: Bevor sich eine Idee genügend ausgebreitet hat, um zur Formel einer kollektiven Aktion, zum Grundsatz eines Wahlprogramms zu werden, braucht es eine lang anhaltende Propaganda; wenn sich die Parteien endlich um sie herum organisiert haben, dann haben viele Geister schon dasjenige entdeckt, was sie an Unvollkommenem, Ungenauem, in jedem Fall Relativem enthielt, und es eröffnet sich bereits eine neue, umfassendere und höhere Sicht, aus der die Idee von morgen hervorgeht, welche ihrerseits Ursache und Gegenstand neuer Schlachten sein wird.

9Auf diese Weise hat sich zwischen der klassischen politischen Ökonomie und den sozialistischen Systemen langsam eine nicht vermittelnde, sondern höhere Anschauung herausgebildet; eine Anschauung von einem höheren Standpunkt aus, von wo aus das Licht gleichmäßiger und weiter ausstrahlt. Wohlgemerkt handelt es sich dabei nicht um einen Versuch des Ausgleichs zwischen den Gruppen und Parteien, um eine politische Taktik. Nicht zwischen den Menschen, sondern zwischen den Ideen versucht sich ein Einklang zu bilden; was sich da anbahnt, i

Beschreibung für Leser

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