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Gunnar Hindrichs

Zur kritischen Theorie

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Produktdetails

Verlag
Suhrkamp Verlag
Erschienen
2020
Sprache
Deutsch
Seiten
267
Infos
267 Seiten
ISBN
978-3-518-76354-4

Kurztext / Annotation

Kritische Theorie ist ein scharfsinniger Unsinn. Kritik - das bedeutet Prüfen, Unterscheiden, Urteilen. Theorie - das bedeutet eine Erkenntnisstruktur. Laut Kant bildet die Kritik darum eine »Propädeutik« zur Theorie. Wer beides zusammenschließt, verwickelt sich in einen Widerspruch. Von diesem scharfsinnigen Unsinn der kritischen Theorie handeln Gunnar Hindrichs' Studien, die sich gegen die Meinung richten, kritische Theorie bilde ein sinnvolles Element im Gefüge der Wissenschaften. Ihr Geschäft, so Hindrichs, besteht vielmehr darin, die Krise des Sinns durchzuführen. In der vielfältigen Krise unserer Gegenwart aber wird ein Denken, das die Form der Krise in sich aufgenommen hat, auf neue Weise bedeutsam.



Gunnar Hindrichs ist Professor für Philosophie an der Universität Basel. Gastprofessuren führten ihn nach Italien, Finnland und in die USA. 2007 erhielt er den Akademiepreis der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

Textauszug

7Vorwort

Kritische Theorie ist ein scharfsinniger Unsinn. Kritik - das bedeutet: Prüfen, Unterscheiden, Urteilen. Theorie - das bedeutet: eine Erkenntnisstruktur. Mit Theorie darf Kritik darum nicht verwechselt werden. Sie bildet, wie Kant sagt, eine »Propädeutik« zu ihr. Wer beides zusammenschließt, formuliert ein Oxymoron.

Vom scharfsinnigen Unsinn der kritischen Theorie sprechen die folgenden Studien. Das stellt sie in einen Gegensatz zur ihrer Lage. Seit langem ist die kritische Theorie in die Organisation der Wissenschaften integriert. Es gibt Einführungskurse in sie; sich auf sie zu spezialisieren eröffnet Karriereoptionen; sie kann zum Markenkern einer Universität gehören; sie bildet eine internationale Währung. Hier ist nichts unsinnig, sondern alles sinnvoll. Aber mit ihrem Namen bekennt sich die kritische Theorie als Oxymoron. Als solches sperrt sie sich gegen ihre Integration in die Wissenschaftsorganisation. Entsprechend muß eine kritische Theorie, die sich integriert, die Verknüpfung der unvereinbaren Bestimmungen aufgeben, die ihr Name eigentlich beansprucht. Sie darf kein hölzernes Eisen sein. Deshalb zerfällt sie in ihre beiden Momente. Sie wird entweder als Kritik betrieben oder als Theorie: als Theorie des kommunikativen Handelns und der Anerkennung einerseits, als Kritik der Macht und der Lebensform anderseits. An die Stelle des scharfsinnigen Unsinns der kritischen Theorie tritt der Sinn neuer Formen der traditionellen Theorie und der traditionellen Kritik.

Für diese Lage der kritischen Theorie sind nicht ihre Vertreterinnen und Vertreter verantwortlich. Vielmehr ist sie sachlich begründet. Denn der scharfsinnige Unsinn droht die kritische Theorie zu einem Selbstwiderspruch zu machen. Erfolgreich bewältigt werden kann er nur dann, wenn der Geltungsanspruch einer der beiden Seiten abgemildert oder zumindest umgedeutet wird. Eben das vollzieht die integrierte kritische Theorie durch die Trennung ihrer Momente. Doch mit der Auflösung des scharfsinnigen Unsinns geht das Entscheidende der kritischen Theorie verloren. Aus der Rhetorik wissen wir vom Oxymoron, daß es Unsagbares zum Ausdruck bringt, indem es dieses in ein Gegensatzpaar zwingt. Weiter wissen wir, daß das Gegenteil zum Oxymoron der Pleonasmus, 8die Verdoppelung des Sinnes ist. Beides betrifft die Bestimmtheit kritischer Theorie. Sie will »gegen Wittgenstein sagen, was nicht sich sagen läßt« (Adorno), also Unsagbares zum Ausdruck bringen. Und sie deutet die traditionelle Theorie als Verdoppelung dessen, was der Fall ist, also als Pleonasmus der Tatsachen. Indem die kritische Theorie einen scharfsinnigen Unsinn darstellt, bekennt sie sich daher mit ihrem Namen dazu, sowohl den Pleonasmus des Bestehenden zu sprengen als auch das Unsagbare auszusagen, das das Bestehende übersteigen könnte. Wer sie in ihre Momente zerlegt, verzichtet darauf.

Das ist nicht nur eine Angelegenheit der Form des Denkens. Es betrifft auch das Verhältnis der Philosophie zu ihrer Zeit. Denn indem der scharfsinnige Unsinn der kritischen Theorie die Verdoppelung des Bestehenden nicht mitmacht und auf das zu sagende Unsagbare ausgerichtet bleibt, widerspricht er den unterschiedlichen Formen dessen, was der Fall ist, und bezieht sich auf das, was anders gegenüber diesem wäre. Entsprechend fällt er über den geschichtlich-gesellschaftlichen Stand ein Urteil, entwirft Alternativen zu dessen traditioneller Erkenntnis, sucht nach Möglichkeiten neuer Erfahrung - stets unter dem Gesichtspunkt des extremen Gegenteils zur pleonastischen Sagbarkeit.

In ihrer heutigen Lage hingegen trennt sich die kritische Theorie von dem radikalen Widerspruch gegen das, was der Fall ist. Statt des Unsagbaren sagen ihre neuen traditionellen Theorien, wie die Dinge in der Gesellschaft liegen. Und ihre neuen traditionellen Kritiken verurteilen das Bestehende auf der Grundlage einer Tatsach

Beschreibung für Leser

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