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Produktdetails

Verlag
btb Verlag
Ecco
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
432
Infos
432 Seiten
16 Seiten farbiger Bildteil
18,7 cm x 11,8 cm
ISBN
978-3-641-18643-2

Kurztext / Annotation

Moskau, 1946: Im Büro eines literarischen Magazins begegnen sich der gefeierte Schriftsteller Boris Pasternak und die mehr als 20 Jahre jüngere Olga Ivinskaya. Es ist der Beginn einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung zwischen dem verheirateten Autor und der schönen Witwe, die bis zu Pasternaks Tod währen soll. Doch Olga zahlt einen hohen Preis: Stalins Schergen verbannen sie zweimal in den sibirischen Gulag, und auch Pasternaks Familie setzt alles daran, den Dichter von seiner Geliebten und Muse fernzuhalten. Basierend auf Archivmaterial und Quellen aus Familienbesitz erzählt die Großnichte des Literaturnobelpreiträgers die Lebensgeschichte der Frau, die Pasternak zu Lara in Doktor Schiwago inspirierte.



Anna Pasternak ist Journalistin und Schriftstellerin. Sie entstammt der berühmten Pasternak-Familie und ist die Großnichte von Literaturnobelpreisträger Boris Pasternak. Anna Pasternak lebt mit ihrem Mann in Oxfordshire im Süden Englands.

Textauszug

PROLOG

Spinnennetze entwirren

Gemessen an den heute geltenden Standards ist es fast unmöglich, den Grad der Berühmtheit nachzuvollziehen, den Boris Pasternak von den 1920er Jahren an in Russland genoss. Pasternak mag in der westlichen Welt als Verfasser des Liebesromans Doktor Schiwago, für den er den Nobelpreis erhalten hat, weltberühmt sein, in Russland hingegen ist er in erster Linie als Lyriker bekannt und wird dafür noch heute gefeiert. 1890 geboren, wuchs sein Ruhm mit Anfang dreißig sprunghaft an; bald füllte Pasternak große Vortragssäle mit jungen Studenten, Revolutionären und Künstlern, die zusammenkamen, um die Lesungen seiner Gedichte zu hören. Wenn er eine Kunstpause einlegte oder einen Hänger hatte, brüllte das ganze Publikum - ähnlich wie heutzutage bei Popkonzerten - die nächste Zeile seines Gedichtes im Chor.

»In Russland gab es einen sehr realen Kontakt zwischen dem Dichter und dem Publikum, viel intensiver als irgendwo sonst in Europa«, schrieb Boris' Schwester Lydia über diese Zeit, »ganz bestimmt aber viel unmittelbarer, als man sich das in England vorstellen kann. Gedichtbände wurden in enormen Auflagen gedruckt und waren innerhalb weniger Tage nach Erscheinen ausverkauft. Überall in der Stadt hingen Plakate, die Lyrikabende ankündigten, und alle, die sich für Lyrik interessierten (und wer in Russland tat das nicht), strömten scharenweise in die Vortragssäle oder Theater, um ihre Lieblingsdichter zu hören.«1 Schriftsteller waren in der russischen Gesellschaft ungemein einflussreich. Während dieser unruhigen Jahre gab es keine glaubwürdigen Politiker, und so orientierte sich die Öffentlichkeit an ihren Schriftstellern. Literaturzeitschriften waren mächtige Instrumente für politische Meinungsmache. Boris Pasternak war nicht nur ein populärer Poet, der für seinen Mut und seine Aufrichtigkeit hochgeschätzt wurde. Eine ganze Nation verehrte ihn wegen seiner furchtlosen Stimme.

Schon in frühen Jahren wollte Pasternak einen großen Roman schreiben. Seinem Vater Leonid gestand er 1934: »Nichts von dem, was ich geschrieben habe, existiert ... und jetzt verwandle ich mich schnell in einen Prosaiker der Dickens'schen, und anschließend, wenn die Kräfte ausreichen, in einen Lyriker - der Puschkin'schen Richtung. Glaub nicht, ich wollte mich mit ihnen vergleichen. Ich nenne sie, um dir einen Begriff von meiner inneren Verwandlung zu geben.«2 Pasternak tat seine Lyrik als zu einfach zu schreiben ab. Mit seinem ersten, 1917 veröffentlichten Gedichtband Über die Barrieren hatte er schon frühzeitig unerwarteten Erfolg. Dieses Werk gehörte bald zu den einflussreichsten Sammlungen, die jemals in russischer Sprache veröffentlicht wurden. Die Kritik pries den biographischen und historischen Stoff und bewunderte die kontrastierenden lyrischen und epischen Eigenschaften des Bandes. A. Manfred, der für die Kniga I revoljucija (Das Buch und die Revolution) schrieb, beobachtete eine neue, »expressive Klarheit« und hoffnungsvolle Signale, dass der Schriftsteller »in die Revolution hineinwachsen«3 werde. Pasternaks zweite Sammlung von zweiundzwanzig Gedichten, Meine Schwester, das Leben, 1922 veröffentlicht, erntete eine noch nie dagewesene literarische Würdigung. Die hier verbreitete Jubelstimmung verzückte die Leser, vermittelte sie doch die Euphorie und den Optimismus des Sommers 1917. Pasternak schrieb4, dass die Februarrevolution5 wie »aus Versehen« stattgefunden habe, und alle sich plötzlich frei fühlten. Es war Boris' »berühmtester Gedichtband«6, wie seine Schwester Lydia bemerkte. »Die kultiviertere jüngere Generation literarisch interessierter Russen riss sich um das Buch.« Sie fanden, dass er die feinfühligsten Liebesgedichte im Bann seiner ganz persönlichen Bildersprache schrieb. Nachdem der Dichter

Beschreibung für Leser

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