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George Michelsen Foy

NORDWÄRTS

Warum uns das Navigieren erst zu Menschen macht

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Produktdetails

Verlag
btb Verlag
St. Martin's Press / Flatiron Books
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
384
Infos
384 Seiten
ISBN
978-3-641-19394-2

Kurztext / Annotation

Sich orientieren zu können ist eine der wichtigsten menschlichen Eigenschaften überhaupt, ob im dunklen Hausflur oder als Pilot eines Jumbojets. Doch wie beeinflusst das Navigieren unsere Gehirne, unser Gedächtnis und unseren Alltag? In einer faszinierenden Mischung aus persönlicher Erzählung und wissenschaftlichen Fakten begibt sich George Michelsen Foy auf die Suche nach dem Geheimnis um den tragischen Tod seines Ur-Ur-Großvaters, der 1844 bei einem Schiffsunglück ums Leben kam. Durch seine Geschichte zeigt uns Foy letztlich, wie die Orientierung unseren Alltag bestimmt - und dass diese besondere Fähigkeit heute bedrohter ist denn je.

George Michelsen Foy, Jahrgang 1952, lehrt Kreatives Schreiben an der New York University und ist Autor zahlreicher Romane und Sachbücher. Er war Stipendiat des National Endowment for the Arts und schreibt u.a. für den Rolling Stone, Boston Globe, Harper's und die New York Times. Als passionierter Segler, der bereits als Maat auf Frachtern in der Nordsee und als Kapitän eines eigenen Fangschiffs vor der Ostküste Nordamerikas zur See fuhr, lag es für ihn nahe, sich irgendwann auch dem Thema Seefahrt zu widmen. George Michelsen Foy lebt mit seiner Familie in Cape Cod, Massachusetts, und in New York.

Textauszug

1

Angst

Am Anfang dieser Geschichte steht, wie bei so vielen Geschichten, die Angst - die Urangst, die auf jenen Augenblick vor einer so endlos langen Zeit zurückgeht, als wir aus dem Mutterleib hervorgezogen wurden und uns in einer gänzlich unvertrauten Umgebung wiederfanden, deren grelle Helligkeit uns blendete und in der wir uns, umgeben von lauter fremden Wesen, irgendwie zurechtfinden mussten.

»Wohin« lautet die vordringlichste Frage einer jeden Kreatur, wenn es darum geht, dem Angriff eines Widersachers entweder zu entgehen oder sich ihm durch Gegenwehr zu stellen - und eben nicht »wann«, »wie« oder »wer«. Die Beantwortung dieser Frage ist seit jeher der erste Schritt zum Überleben. Vom Anbeginn unseres Daseins war die Navigation, die Kunst der Bestimmung des eigenen Standorts und der Entscheidung, in welcher Richtung es nun weitergehen sollte, unser Schlüssel zum Selbsterhalt.

Ich weiß nur zu gut, dass ich Schwierigkeiten damit habe, mich zu orientieren. Erst neulich wieder ist es mir gegen Ende einer langen nächtlichen Autofahrt, die mich von New York City über die Interstate 195 in den Südosten von Massachusetts führte, passiert, dass ich auf einmal merkte, wie mir die Augen zuzufallen drohten; also steuerte ich den nächsten Rastplatz an, schaltete den Motor aus und schlief sofort ein. Als ich wieder aufwachte, hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wo ich mich befand oder wie ich dort hingekommen war: Warum saß ich in tiefster Dunkelheit zusammengekrümmt in diesem engen, kalten Raum? In diesem Augenblick hätte ich sonst wo sein können: von Außerirdischen entführt - oder das Gedächtnis verloren haben und nach Turkmenistan verschleppt worden sein. In gewisser Weise war ich wieder so hilflos wie ein neugeborenes Kind. Und da ergriff urplötzlich eine ganz eigentümliche Angst Besitz von mir, die mich mehrere Minuten lang davon abhielt, um Hilfe zu rufen oder mich von der Stelle zu rühren - oder jedenfalls kam es mir so vor; in Wirklichkeit mögen wahrscheinlich bloß ein paar Sekunden vergangen sein. Aber diese Panikattacke wurde noch durch die unvermittelt aufflackernde Erinnerung an ähnliche Situationen verschlimmert, in denen es mich an Orte verschlagen hatte, die zwar nicht von dem Dunstschleier einer bleiernen Müdigkeit weichgezeichnet waren, an die ich mich aber nur noch undeutlich erinnern konnte.

Dieses Gefühl korrespondierte mit dem jähen Entsetzen, mit dem ich blitzschnell eine Bestandsaufnahme dessen vornahm, was ich erkennen oder ertasten konnte, nachdem die Panik das motorische Zentrum meines Nervensystems lahmgelegt hatte: das Lenkrad, die Windschutzscheibe und dahinter den hoch aufragenden Pfosten der Straßenbeleuchtung und den dunklen Schatten eines Kiefernwäldchens. Ich weiß noch genau, welche Erleichterung mich durchströmte, als sich auf meiner geistigen Landkarte geophysikalische Anhaltspunkte miteinander verknüpften, anhand derer ich eine zuverlässige Positionsbestimmung vornehmen konnte. So setzte auch die damit verbundene Erinnerung wieder ein - an das Auto, an den Rastplatz und an die Straße. Die Umgebung kam mir vertraut vor; ich konnte also nicht mehr allzu weit von meinem heimischen Herd entfernt sein, und wie sich denn auch bald herausstellte, trennte mich bloß noch eine knappe Dreiviertelstunde in östlicher Richtung von dem Haus, in dem mein todkranker Bruder auf mein Eintreffen wartete.

Das Leben bringt ständige Veränderungen - und darum Bewegung - mit sich; und da es sich beim Navigieren um die Kunst der Berechnung des Punktes handelt, an dem wir uns befinden, ferner des Weges, der uns an diesen Punkt geführt hat, und schließlich der Strecke, auf der wir unseren Weg fortsetzen werden, scheint es keineswegs übertrieben, wenn wir behaupten, dass Navigation in ihren unendlich vielfältigen Formen nicht bloß ein immens wichtiges Überlebensw

Beschreibung für Leser

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