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Ernst Piper

Rosa Luxemburg

Ein Leben

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Produktdetails

Verlag
Karl Blessing Verlag
Erschienen
2018
Sprache
Deutsch
Seiten
832
Infos
832 Seiten
ISBN
978-3-641-19636-3

Kurztext / Annotation

Rosa Luxemburg, 1871 im russischen Teil Polens geboren, gehörte vielen Minderheiten an. Sie kam aus einem jüdischen Elternhaus, perfektionierte erst während ihres Studiums in Zürich die deutsche Sprache, fand mithilfe einer Scheinehe in Deutschland ihre politische Heimat, war auf SPD-Parteitagen die einzige Frau mit einem Doktortitel und engagierte sich als rastlose Kämpferin für die europäische Arbeiterbewegung in nicht weniger als sieben verschiedenen sozialistischen Parteien.

Luxemburg war die bedeutendste marxistische Denkerin ihrer Zeit. Sie kämpfte für die Diktatur des Proletariats, aber zugleich gegen den autoritären Zentralismus Lenins, weshalb sie auch die Gründung der Kommunistischen Internationale ablehnte. Ihre Revolutionstheorie, ihr Freiheitsbegriff und ihr unbedingter Internationalismus ließen sie zur Ikone des weltweiten Protests der 1968er-Bewegung werden. Ihr berühmter Satz «Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden» wurde eine Parole der Bürgerrechtler in der untergehenden DDR. In ihrer Gedanken- und Ideenwelt ist vieles zu finden, was auch heute, in einer Zeit des wieder erwachenden Nationalismus, anregend und wichtig ist.



Ernst Piper, 1952 in München geboren, lebt heute in Berlin. Er ist apl. Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam und hat zahlreiche Bücher zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts publiziert, zuletzt Nacht über Europa. Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs (2014). Bei Blessing erschien seine Biografie Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe (2005).

Textauszug

I

Zamosc

Rosa Luxemburg wurde in der Kleinstadt Zamosc, etwa 250 Kilometer südöstlich von Warschau, geboren, die einst Jan Zamoyski gegründet hatte. Er gehörte einer der bedeutendsten polnischen Familien an, die in den letzten 500 Jahren eine Fülle bemerkenswerter Persönlichkeiten hervorgebracht hat, deren jüngste der Historiker Adam Zamoyski ist, dem wir ein großartiges Buch über das für die polnische Geschichte so bedeutsame Jahr 1812 verdanken.34 Jan Zamoyski prägte über Jahrzehnte hinweg das politische Leben in Polen wie kaum ein anderer. Er stammte aus einer calvinistischen Familie, ging zum Studium nach Paris und später nach Padua, wo er 1563 - gerade einmal 21 Jahre alt - Rektor der Universität wurde. Wenige Jahre später kehrte er in die Heimat zurück, wurde 1566 königlicher Sekretär, 1576 Kanzler, 1578 Großkanzler und 1581 Großhetman der polnischen Krone. In dieser Eigenschaft befehligte er das Heer des Königreichs Polen und Litauen. Daneben unterhielt Zamoyski auch eine Privatarmee mit mehreren Tausend Soldaten. Er war im Seijm, dem Parlament, das unter anderem den König wählte, Anführer der Partei der Szlachta. Das war der niedere Adel, dem etwa ein Zehntel der polnischen Bevölkerung angehörte. Die Szlachta war bis zur Niederschlagung des Januaraufstands 1863 die maßgebliche Trägerin der politischen Willensbildung in Polen.

Zamoyski war sehr reich. Er besaß zwei Dutzend Städte und Hunderte von Dörfern. 1580 gründete er nahe seinem Geburtsort Skokówa die Stadt Zamosc, in deren Namen er sich verewigte. 1588 konstituierte sich auf Zamoyskis Initiative dort eine jüdische Gemeinde, und 1595 wurde feierlich eine Akademie eröffnet, die jungen Angehörigen der Szlachta die humanistische Bildung nahebringen sollte. Zamosc wurde von dem venezianischen Baumeister Bernardo Morando ganz im Stil der Renaissance erbaut. Die Altstadt gruppiert sich um den großen, fast quadratischen Marktplatz, an dem auch das Rathaus steht, ein gewaltiger Bau mit einer großen geschwungenen Freitreppe und einem achteckigen Glockenturm. Den Platz säumen Häuser, deren Fassaden von großer Schönheit sind. Das ganze Ensemble ist bis heute erhalten und wurde 1992 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Zamosc gehörte nach der ersten polnischen Teilung 1772 zum Kronland Galizien und Lodomerien und damit zum Habsburger Reich. 1809 wurde die Stadt russisch und gehörte ab 1815 zum Königreich Polen. Das war ein konstitutionelles Königreich, das bei der vierten und endgültigen Aufteilung der polnischen Gebiete auf dem Wiener Kongress geschaffen wurde. Daher stammt seine umgangssprachliche Bezeichnung Kongresspolen. Dieses Königreich Polen war durch Personalunion mit dem Russischen Reich verbunden, und nach dem Januaraufstand 1863 wurden alle seine Zentralbehörden aufgelöst, sodass Kongresspolen nur noch eine Provinz des Zarenreiches war.

Die Stadt Zamosc entwickelte sich gut und hatte Ende des 19. Jahrhunderts etwa 7 000 Einwohner, von denen die Mehrheit der jüdischen Gemeinde angehörte. Die Gemeinde war von Gegnern des Chassidismus dominiert. Der osteuropäische Chassidismus war eine religiöse Erneuerungsbewegung, die auf das Studium der Tora großen Wert legte, die aber auch auf kabbalistische Traditionen rekurrierte und dem religiösen Gemeinschaftserlebnis hohe Bedeutung beimaß, sodass sie oftmals eine mystische Ausprägung gewann. Zamosc dagegen war ein wichtiges Zentrum der Haskala, der jüdischen Aufklärungsbewegung, als deren bedeutendster Vertreter der deutsche Philosoph Moses Mendelssohn gilt. 1939 lebten mehr als 28 000 Menschen in Zamosc, unter ihnen 12 500 Juden. Es gab zwei Synagogen und neun Bethäuser, außerdem neun Bibliotheken, vier Buchhandlungen und drei Druckereien. Es erschienen zahlreiche Zeitschriften, unter anderem die Zamoscher Shtime, die von der zionistisch-sozialistischen Partei Poale Zion publiziert wurde.35

Beschreibung für Leser

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