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Produktdetails

Verlag
Luchterhand Literaturverlag
Gallimard
Erschienen
2017
Sprache
Deutsch
Seiten
288
Infos
288 Seiten
ISBN
978-3-641-21290-2

Kurztext / Annotation

Der Preis des Glücks
Sie wollen das perfekte Paar sein, Kinder und Beruf unter einen Hut bringen, alles irgendwie richtig machen. Und sie finden die ideale Nanny, die ihnen das alles erst möglich macht. Doch wie gut kann man einen fremden Menschen kennen? Und wie sehr kann man ihm vertrauen?

Sie haben Glück gehabt, denken sich Myriam und Paul, als sie Louise einstellen - eine Nanny wie aus dem Bilderbuch, die auf ihre beiden kleinen Kinder aufpasst, in der schönen Pariser Altbauwohnung im 10. Arrondissement. Wie mit unsichtbaren Fäden hält Louise die Familie zusammen, ebenso unbemerkt wie mächtig. In wenigen Wochen schon ist sie unentbehrlich geworden. Myriam und Paul ahnen nichts von den Abgründen und von der Verletzlichkeit der Frau, der sie das Kostbarste anvertrauen, das sie besitzen. Von der tiefen Einsamkeit, in der sich die fünfzigjährige Frau zu verlieren droht. Bis eines Tages die Tragödie über die kleine Familie hereinbricht. Ebenso unaufhaltsam wie schrecklich.



Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani gilt als eine der wichtigsten literarischen Stimmen Frankreichs. Ihre Bücher sind internationale Bestseller. Slimani, 1981 in Rabat geboren, wuchs in Marokko auf und studierte an der Pariser Eliteuniversität Sciences Po. Für den Roman »Dann schlaf auch du« wurde ihr der renommierte Prix Goncourt zuerkannt. Zuletzt erschienen im Luchterhand Literaturverlag der persönliche Band »Der Duft der Blumen bei Nacht sowie die beiden Romane »Das Land der Anderen« und »Schaut, wie wir tanzen«. Letztere sind Teil einer Romantrilogie, die auf der Geschichte von Leïla Slimanis eigener Familie beruht.

Textauszug

»Keine ohne Papiere, da sind wir uns einig? Bei einer Putzfrau oder einem Maler stört es mich nicht. Diese Leute müssen ja auch irgendwie arbeiten, aber mit den Kindern ist das zu riskant. Ich will niemanden, der Angst hat, die Polizei zu rufen oder ins Krankenhaus zu gehen, wenn es ein Problem gibt. Ansonsten nicht zu alt, unverschleiert und Nichtraucherin. Das Wichtigste ist, dass sie flexibel ist und nicht so dröge. Dass sie schuftet, damit wir schuften können.« Paul hat alles vorbereitet. Er hat eine Liste mit Fragen aufgestellt und dreißig Minuten pro Gespräch eingeplant. Sie haben sich den Samstagnachmittag freigehalten, um eine Nanny für ihre Kinder zu finden.

Ein paar Tage vorher, als Myriam ihrer Freundin Emma von der Suche erzählte, hat diese sich über die Frau beklagt, die ihre Jungs hütet. »Die Nounou hat selbst zwei Kinder hier, also kann sie nie länger bleiben oder abends babysitten. Das ist wirklich unpraktisch. Denkt daran, wenn ihr die Bewerbungsgespräche führt. Wenn eine Kinder hat, dann besser nicht hier in Frankreich.« Myriam hat sich für den Rat bedankt. Aber eigentlich war ihr Emmas Überlegung unangenehm. Hätte ein Arbeitgeber so über sie oder eine ihrer Freundinnen gesprochen, sie hätten sich sofort lauthals über die Diskriminierung beschwert. Sie fand den Gedanken schrecklich, eine Frau auszuschließen, weil sie Kinder hatte. Mit Paul spricht sie lieber nicht darüber. Ihr Mann ist wie Emma. Ein Pragmatiker, der seine Familie und seine Karriere über alles stellt.

Heute Morgen sind sie alle zusammen auf den Markt gegangen. Mila auf Pauls Schultern und Adam schlafend im Kinderwagen. Sie haben Blumen gekauft, und jetzt räumen sie die Wohnung auf. Sie wollen vor den Nannys, die sich vorstellen werden, eine gute Figur machen. Sie sammeln die auf dem Boden, unter ihrem Bett und sogar im Bad herumliegenden Bücher und Zeitschriften auf. Paul bittet Mila, ihr Spielzeug in große Plastikkisten zu räumen. Die Kleine weigert sich heulend, und am Ende ist er es, der alles an die Wand stapelt. Sie legen die Anziehsachen der Kinder zusammen, wechseln die Bettwäsche. Sie putzen, schmeißen weg, versuchen verzweifelt, frischen Wind in diese Wohnung zu bringen, in der sie ersticken. Die Bewerberinnen sollen sehen, dass sie nette Leute sind, anständige und ordentliche Leute, die sich bemühen, ihren Kindern das Beste zu bieten. Und es soll klar sein, dass sie die Arbeitgeber sind.

Mila und Adam machen Mittagsschlaf. Myriam und Paul sitzen auf der Bettkante. Bang und unbehaglich. Sie haben ihre Kinder noch nie jemandem anvertraut. Myriam war gerade dabei, ihr Jurastudium zu beenden, als sie mit Mila schwanger wurde. Zwei Wochen vor der Geburt machte sie ihren Abschluss. Paul reihte einen Assistenzjob an den anderen, voller Optimismus, wie damals, als sie sich kennenlernten und er Myriam genau deswegen so gefiel. Er war überzeugt, dass er für zwei arbeiten könnte. Sicher, dass er es als Musikproduzent zu etwas bringen würde, trotz Krise und reduzierter Budgets.

Mila war ein anfälliges, unruhiges Baby, das immerzu weinte. Sie nahm nicht zu, wollte weder an der Brust ihrer Mutter noch aus den Fläschchen trinken, die ihr Vater zubereitete. Über die Wiege gebeugt, vergaß Myriam den Rest der Welt. Alles, was sie interessierte, war, dass dieses schwächliche, plärrende Mädchen ein paar Gramm zulegte. Sie nahm gar nicht wahr, wie die Monate vergingen. Paul und sie schleppten Mila überallhin mit. Sie taten so, als bemerkten sie nicht, dass ihre Freunde sich darüber aufregten und hinter ihrem Rücken sagten, ein Baby gehöre nicht in eine Bar oder ein Restaurant. Aber Myriam wollte absolut nichts von einem Babysitter wissen. Sie allein war in der Lage, ihrer Tochter zu geben, was sie brauchte.

Mila war kaum anderthalb, als Myriam wieder schwanger wurde. Sie hat immer behauptet, es sei ein Unfall gewesen. »Die Pille ist niemals hundertprozentig sicher«, sagte sie lachend zu ihren Freundinnen.

Beschreibung für Leser

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