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Mehmet Gürcan Daimagüler, Ernst Münchhausen

Mangelhaft

Hinter den Mauern deutscher Gefängnisse

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Produktdetails

Verlag
Karl Blessing Verlag
Erschienen
2020
Sprache
Deutsch
Seiten
272
Infos
272 Seiten
ISBN
978-3-641-21972-7

Kurztext / Annotation

In Deutschlands Gefängnissen sitzen Mörder und Terroristen. Aber bei Weitem nicht nur - ebenso Schwarzfahrer, Steuersünder und ganz normale Bürger, die einmal eine falsche Entscheidung getroffen haben und dafür mit ihrer Freiheit bezahlen.

Die renommierten Rechtsanwälte Daimagüler und von Münchhausen prüfen in ihrem Buch den Strafvollzug in Deutschland auf Herz und Nieren. Warum strafen wir, und wie? Warum ist der Weg in den Knast in Bayern kürzer als in Bremen, und warum sollte man sich sein Urteil lieber nach der Mittagspause als kurz vor Dienstschluss abholen? In welchem Zustand sind Deutschlands Vollzugsanstalten und welche Geschichte steckt in ihren Mauern? Wie sieht der Alltag eines Häftlings aus - und warum geht uns alle die Frage an, wie wir unsere 'niedrigsten Bürger' behandeln?

Geboren 1968 in Siegen als Sohn türkischer Gastarbeiter studierte er Jura, VWL und Philosophie in Bonn, Kiel, Witten-Herdecke, Harvard und Yale. Er wurde als »World Fellow« der Yale University und als »Littauer Fellow« der Harvard University ausgezeichnet. Er war Berater der Boston Consulting Group und ist als Rechtsanwalt und Strategieberater in Berlin tätig.

Neben seinem Studium war Mehmet Daimagüler Assistent der Bundestagsabgeordneten Gerhart Baum und Burkhard Hirsch. Als Mitglied im Bundesvorstand der FDP war er der erste Türkischstämmige, der in das oberste Beschlussgremium einer deutschen Partei gewählt wurde, noch vor dem Grünen-Politiker Cem Özdemir, seinem ehemaligen WG-Partner. 2007 trat er wegen der einseitigen Fokussierung der Parteispitze auf Steuersenkungsthemen aus der FDP aus.

Das »World Economic Forum« in Davos kürte Mehmet Daimagüler im Jahr 2005 auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder zum »Young Global Leader«.

Textauszug

EINLEITUNG

1  Warum strafen?

Mord und Totschlag haben Konjunktur. Verbrechen lohnen sich und generieren Profite in Millionenhöhe. Jedenfalls für manche Medienunternehmen. Wir beobachten eine paradox-gegenläufige Entwicklung: Die Verbrechen werden seltener, die Berichte über sie aber häufiger und intensiver. Kaum eine überregionale Zeitung und Zeitschrift verzichtet auf eine eigene Crime-Rubrik. Der Durst der Leserschaft nach Berichten über menschliche Abgründe wird bedient, mal mehr, mal weniger sensationsheischend, aber selten nüchtern. Zu beobachten ist zudem ein anschwellender Chor jener, die »Klartext« reden, die ein »Ende der Geduld« verkünden oder fordern, die vor »No-Go-Areas« warnen, kurz gesagt: die Schluss machen wollen mit der »Kuscheljustiz«. Hier artikuliert sich eine Stimme, die eine Abkehr von den strafrechtlichen Reformen der Siebzigerjahre verlangt. Jenen Reformen, die den Fokus weg von der Strafe als Vergeltung für begangene Verbrechen hin zur Prävention und Resozialisierung des Verurteilten vollzogen. Diese sollen ganz oder teilweise rückgängig gemacht werden. »Der Sozialromantiker kümmert sich liebevoll um den, der das Nasenbein gebrochen hat«, schreibt der Jugendrichter Andreas Müller in seinem Buch Schluss mit der Sozialromantik. Ein Jugendrichter zieht Bilanz1. Er bekommt viel Zustimmung, wenn er härtere Strafen fordert. Warum ist eine solche Forderung in Zeiten rückläufiger Straftaten sinnvoll? - diese Frage wird selten gestellt und noch seltener beantwortet. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, wann jemals in der Geschichte der Menschheit härtere Strafen zu einem Rückgang von Straftaten geführt hätten.

»Langweilig« ist nicht zwangsläufig das Gegenteil von »sensationsheischend«. Den Beweis liefern die Berichte des Bundesamtes für Statistik Jahr um Jahr, besonders wenn es um Straftaten geht. Hier werden in blutdruckschonender Weise spannende Einblicke in das deutsche Innenleben geboten.

Im Jahr 2016 verurteilten deutsche Gerichte 737 873 Personen rechtskräftig wegen eines strafrechtlichen Verbrechens oder Vergehens mit rückläufiger Tendenz. Im Vorjahr gab es noch 0,2 % mehr Verurteilungen. Die allermeisten Verurteilungen sahen Geldstrafen vor, bei 107 381 stand jedoch eine Freiheitsstrafe im Urteil. Das bedeutet aber nicht, dass alle oder auch nur die meisten der Verurteilten tatsächlich ins Gefängnis müssen. Bei 72 % der Heranwachsenden und 69 % der Erwachsenen wurden die Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt, so das Statistische Bundesamt. Im Jahr 2017 saßen circa 64 000 Menschen in deutschen Gefängnissen. 94 % waren Männer und nur 6 % Frauen. Das entspricht etwa 0,06 % der Gesamtbevölkerung. Das ist im internationalen Vergleich ein relativ geringer Wert. In den USA zum Beispiel befinden sich fast 2,3 Millionen Menschen hinter Gittern. Das sind circa 0,75 % der Gesamtbevölkerung oder 0,9 % aller erwachsenen US-Amerikaner. Anders ausgedrückt: In den USA leben in etwa viermal so viele Menschen wie in Deutschland, aber 40-mal (!) so viele fristen ihr Leben hinter Gittern. Warum ist das so? Wenn in einer Diktatur oder einem autoritären Staat wie China Menschen in übergroßer Zahl eingesperrt werden, liegt der Grund auf der Hand. Aber nun sind die USA wie auch Deutschland eine Demokratie. Man sollte meinen, dass Demokratien bei allen Unterschieden das gleiche oder zumindest ein ähnliches Menschenbild zugrunde liegt. In Deutschland gilt zum Beispiel, dass auch wegen schwerster Straftaten wie Mord verurteilte Menschen grundsätzlich Anspruch darauf haben, irgendwann wieder ein Leben in Freiheit zu führen.

Beschreibung für Leser

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