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Produktdetails

Verlag
Luchterhand Literaturverlag
Scribner
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
208
Infos
208 Seiten
ISBN
978-3-641-22285-7

Kurztext / Annotation

Best Book of the Year: The Sunday Times. The Guardian.
»WEST lässt uns eintauchen in den Mythos des amerikanischen Westens und erzählt von der Hingabe und Verletzlichkeit des Menschen.« San Francisco Chronicle »Dieses Buch geht einem nicht mehr aus dem Kopf.« Claire Messud

Pennsylvania, im Jahr 1815: Der einfache, gutherzige Maultierzüchter Cy Bellman findet keine Ruhe mehr, seit er in der Zeitung von einer unglaublichen Entdeckung gelesen hat. Um seinem Traum nachzujagen, bringt er das größte Opfer und lässt seine 10-jährige Tochter Bess in der Obhut ihrer ruppigen Tante zurück. Während Bess auf sich allein gestellt zur Frau wird, erlebt Bellman im tiefen Westen ein Abenteuer, das sich völlig anders entwickelt als erwartet. Carys Davies hat eine »eine traurig schöne Geschichte« (The Times) geschrieben über die tiefe Sehnsucht, alles hinter sich zu lassen und seinem Leben einen neuen Sinn zu geben.



Carys Davies stammt aus Wales und lebt heute - nach vielen Jahren in Chicago und New York - in Edinburgh. Sie wird als »überragendes Erzähltalent« (Colm Tóibín) gefeiert. Bei Luchterhand ist zuvor ihr Roman »WEST« erschienen. Für ihre Romane und Kurzgeschichtensammlungen wurde Carys Davies mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.

Textauszug

Am Abend vor seiner Abreise saß Bellman in seinem kleinen, selbst gebauten Haus an dem quadratischen Kiefernholztisch und trank Kaffee mit seinem Nachbarn Elmer Jackson, der ihm gelegentlich auf der Farm zur Hand ging.

Um zehn Uhr kam Julie mit ihrer Bibel und ihrem Regenschirm herein, außerdem mit der kleinen schwarzen Reisetasche, die Bellman und seine Frau Elsie einst auf der Überfahrt über den Atlantik begleitet hatte, den ganzen Weg von England nach Amerika.

Bellman hatte noch nicht fertig gepackt, trug aber schon den langen Wollmantel und die Ledertasche, die an einem langen Schnallengurt vor seiner Brust hing. Neben seinen großen, gefalteten Händen stand ein neuer Zylinder auf dem Tisch.

»Danke, dass du gekommen bist, Julie«, sagte er. »Ich bin dir wirklich sehr dankbar.«

Julie rümpfte die Nase. »Wie ich sehe, hast du deine Meinung nicht geändert.«

»Nein, Julie.«

»Und wo ist das zukünftige Waisenkind?«

Bess, sagte Bellman, liege in der Ecke hinter dem Vorhang in ihrem Bett und schlafe.

Er fragte Julie, ob sie einen Kaffee wolle, und sie sagte, sie könne einen Becher vertragen.

»Gerade habe ich Elmer von der Route erzählt, die ich nehmen werde.«

Julie sagte, seine Route interessiere sie nicht. Sie frage sich, warum Männer ständig darüber reden müssen, auf welchem Weg man am besten von A nach B kommt. Sie lehnte den Regenschirm an die Wand, legte die Bibel auf den Tisch, setzte sich vor ihren Kaffeebecher, holte einen Strumpf aus der Reisetasche und machte sich daran, ihn zu stopfen.

Bellman beugte sich zu seinem Nachbarn hinüber.

»Weißt du, Elmer, ich habe mir die Landkarten angesehen. Es gibt nicht gerade viele, aber ein paar schon. Drüben in der Bücherei in Lewistown haben sie eine ganz alte von einem gewissen Nicholas King, und eine nicht ganz so alte, die ein Mr David Thompson von der Britischen North West Company gezeichnet hat. Leider sind beide voller Lücken und weißer Stellen und Fragezeichen. Am besten halte ich mich also an den Reisebericht der beiden berühmten Captains, die unser alter Präsident auf Expedition geschickt hat. Ihre Karten sind voller Zeichnungen und eingestrichelter Routen, die den besten Weg durch das Gewirr der Flüsse im Westen zeigen, und sogar über die Stony Mountains und bis an den Pazifik, falls ich so weit reiten muss.«

Elmer Jackson rülpste leise. Er hob den Kopf und sah John aus wässrigen, blutunterlaufenen Augen an. »Welche Expedition? Was für berühmte Captains?«

»Elmer, ich bitte dich! Captain Lewis und Captain Clark mit ihrer großen Mannschaft aus Jägern und Kundschaftern. Sie sind einmal bis an den Pazifik geritten und zurück, weil der alte Präsident es ihnen befohlen hatte. Kannst du dich nicht erinnern?«

Elmer Jackson zuckte die Achseln und sagte, vielleicht, er wisse es nicht mehr genau.

»Es ist aber so gewesen, Elmer. Siebentausend Meilen, zweieinhalb Jahre, hin und zurück. Ich glaube, ich sollte mich am besten an ihre Route halten und dann hier und dort davon abweichen, um die Gegenden zu erkunden, in denen sie nicht gewesen sind. Da finde ich hoffentlich, wonach ich suche.«

»Von der Route abweichen?«

Julie schnalzte missbilligend mit der Zunge, Jackson rülpste abermals. Bellman rieb sich die großen Hände. Sein Gesicht war rosig vor Aufregung und Vorfreude. Er nahm ein Gurkenglas aus dem Regal über Jacksons Kopf.

»Elmer, stell dir vor, das Gurkenglas wäre mein Haus, hier in Pennsylvania.«

Er stellte das Glas an die rechte Tischkante. »Und hier - wenn ich bitte kurz deinen Kaffeebecher haben dürfte - ist St. Louis.«

Er stellte Jacksons Becher links neben das Gurkenglas.

»Und von hier« - er tippte auf das Glas - »bis nach St. Louis« - er tippte an den Becher - »sind es ungefähr achthundert Meilen.«

Elmer Jackson nickte.

Beschreibung für Leser

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