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Nomaden der ArbeitOverlay E-Book Reader
Jessica Bruder

Nomaden der Arbeit

Überleben in den USA im 21. Jahrhundert

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Produktdetails

Verlag
Karl Blessing Verlag
W. W. Norton
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
384
Infos
384 Seiten
ISBN
978-3-641-22768-5

Kurztext / Annotation

Verfilmung »Nomadland« von Oscar-Preisträgerin Frances McDormand ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen
Zehntausende Menschen in Amerika sind unterwegs. Sie leben in Wohnmobilen, Vans, Anhängern. Übernachten auf Supermarkt-Parkplätzen, neben den Highways, in der Wüste. Sie schaufeln Zuckerrüben in North Dakota, reinigen Toiletten in den Nationalparks von Kalifornien, arbeiten Zwölf-Stunden-Schichten im Amazon-Versandzentrum im winterlichen Texas. Eines haben sie oft gemeinsam: Sie sind alt. Und im 21. Jahrhundert, erschüttert von der Finanzkrise der Zehnerjahre, ist ihnen der Boden für den sprichwörtlich wohlverdienten Ruhestand weggebrochen. Deshalb ziehen sie als Nomaden der Arbeit von einem saisonalen Tageslohnjob zum nächsten.

Jessica Bruder hat sich ihnen ein Jahr lang angeschlossen und ist diesem Treck durch ganz Amerika gefolgt. Eine nachhallende Reportage über Ausbeutung, Ungerechtigkeit und prekäre Lebensumstände, aber auch über altersweise Beharrlichkeit, Sinn für Gemeinschaft und Abenteuer, wie sie nur ein amerikanischer Highway versprechen kann.



Jessica Bruder war als Professorin an der Columbia Graduate Journalism School tätig. Ihr Leitartikel 'The End of Retirement' im Harper's Magazine, Basis dieses Buches, wurde mit dem Aronson Award for Social Justice Journalism ausgezeichnet, sie veröffentlicht darüber hinaus u. a. in The New York Times Magazine, The Washington Post und The International Herald Tribune. Bruder lebt in Brooklyn, New York City.

Textauszug

2  DAS ENDE

Am Thanksgiving Day 2010 - bevor ihr Leben als Nomadin begann - saß Linda May in New River, Arizona, allein in dem Trailer, den sie bewohnte. Die sechzigjährige Großmutter mit dem silbrig grauen Haar verfügte weder über Strom noch fließendes Wasser, weil sie die Rechnungen dafür nicht hätte bezahlen können. Sie fand keinen Job, und die Arbeitslosenunterstützung war ausgelaufen. Viele Jahre hatte sie bei ihrer Tochter gewohnt und war von dort aus einer Reihe schlecht bezahlter Jobs nachgegangen, aber die Tochter und ihre Familie hatten sich kürzlich mit einer kleineren Wohnung bescheiden müssen. Für sechs Personen standen jetzt nur noch drei Schlafzimmer zur Verfügung, und für sie war kein Platz mehr. Ohne Ausweg saß sie gefangen in einem dunklen Trailer.

»Ich werde allen Schnaps austrinken, der da ist, und dann drehe ich den Gashahn auf. Wenn ich weggetreten bin, wär's das gewesen«, sagte sie sich. »Und wenn ich aufwachen sollte, zünde ich mir eine Zigarette an und schicke uns alle zur Hölle.«

Ihre beiden kleinen Hunde Coco und Doodle starrten sie an. (Der Zwergpudel Doodle starb später, noch bevor sie in den Squeeze Inn zog.) Sie zögerte - war es für sie tatsächlich denkbar, die beiden ebenfalls in die Luft zu sprengen? Nein, das kam nicht infrage. Also nahm sie stattdessen die Einladung zum Thanksgiving Dinner im Haus einer Freundin an.

Aber diesen Augenblick - den Sekundenbruchteil, in dem sie ins Zaudern geriet - konnte sie nicht so leicht vergessen. Linda hält sich für »einen unbeschwerten, freudvollen Menschen«. Noch nie hat sie ernsthaft erwogen, alles hinzuwerfen. »Ich war einfach so fertig, dass ich keinen Ausweg mehr sah«, erinnerte sie sich später. Es musste sich etwas ändern.

Ein paar Jahre später stand Linda abermals vor dem Ruin. Sie arbeitete in Lake Elsinore, Kalifornien, beim Home-Depot-Baumarkt an der Kasse und verdiente 10,50 Dollar die Stunde. In manchen Wochen wurde sie nur für zwanzig bis fünfundzwanzig Wochenstunden eingeteilt, und das reichte so gerade für die 600 Dollar Monatsmiete, die sie für den Trailer zu bezahlen hatte, den sie auf der anderen Seite der Stadt im Shore Acres Mobile Home Park bewohnte. Monate hatte sie nach diesem Job suchen müssen, obgleich in ihrem Lebenslauf zwei Bauwesen-Diplome standen sowie eine anderthalbjährige Anstellung bei einem Home Depot in Las Vegas, wo sie als Disponentin ungefähr 15 Dollar die Stunde verdient hatte. Diese Tätigkeit hatte ihr gefallen, denn sie konnte persönlich die Probleme der Kunden lösen. An der Kasse zu sitzen kam ihr nach alldem wie ein Abstieg vor. Dennoch versuchte sie, das Beste daraus zu machen. »Sie machten mich zur Kassiererin, obwohl ich doch so viel Erfahrung hatte«, erinnerte sie sich. »Also sagte ich mir: 'Okay, dann werde ich hier die beste Kassiererin sein.'« Linda unterhielt sich mit ihren Kunden, erkundigte sich nach ihren Projekten und half, wo sie konnte. Wenn ein Hausbesitzer mit der falschen Holzsorte für einen Dachausbau bei ihr bezahlen wollte, riet sie ihm zu sogenannten Grobspanplatten, die den Zweck besser erfüllten (und auch 500 Dollar weniger kosteten). Warum sollte Home Depot derartige Fachkenntnisse ungenutzt hinter einer Registrierkasse verkümmern lassen? »Die haben wohl ein paar Vorurteile gegenüber älteren Leuten«, vermutete sie.

Nicht zum ersten Mal fragte sich Linda, wie irgendjemand es sich leisten konnte, alt zu werden. Unter all den Jobs, die sie im Laufe ihres Lebens ausgeführt hatte, war kein einziger gewesen, der auch nur ein Mindestmaß an nachhaltiger finanzieller Sicherheit eingebracht hätte. »Hab's nicht geschafft, mir eine Rente zu erarbeiten«, sagte sie.

Linda wusste, dass sie bald Anspruch auf Sozialhilfe haben würde. Sie hatte sich jedoch nie sonderlich um den jährlichen Bescheid gekümmert, sodass sie überrascht war, als sie einen davon las und erfuhr, dass ihre monat

Beschreibung für Leser

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