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Produktdetails

Verlag
Goldmann Verlag
Affirm Press
Erschienen
2020
Sprache
Deutsch
Seiten
448
Infos
448 Seiten
ISBN
978-3-641-22857-6

Kurztext / Annotation

Vielschichtig und verstörend - der Bestseller aus Australien!
»Vor 28 Jahren verschwand ein kleines Mädchen. Dieses Mädchen bist du ...«
Kim Leamy, Fotografin aus Melbourne, wird aus heiterem Himmel von einem Fremden angesprochen, der Unglaubliches erzählt: Er behauptet, ihr wirklicher Name sei Sammy Went und sie sei vor 28 Jahren in einer Kleinstadt in Kentucky entführt worden. Kim hält das für einen schlechten Scherz oder eine Verwechslung, hat sie doch hier in Australien eine geborgene Kindheit verbracht. Und doch bleiben Zweifel. Zweifel, die Kim schließlich in Sammys kleine Heimatstadt in den USA führen: in eine beklemmende Welt von religiösem Fanatismus und dunklen Geheimnissen. Die Wahrheit, die Kim dort findet, ist verstörend - und tödlich ...

Der gebürtige Engländer Christian White ist ein international ausgezeichneter Drehbuchautor. Sein Romandebüt »Das andere Mädchen« wurde in seiner australischen Wahlheimat zum Überraschungsbestseller. Christian lebt mit seiner Frau in Melbourne und schreibt bereits an seinem nächsten Thriller.

Textauszug

Melbourne, Australien

- Jetzt -

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte der Fremde. Er musste so um die vierzig sein, sah auf zurückhaltende Weise gut aus und sprach mit amerikanischem Akzent. Dazu trug er einen nassen Regenparka und knallgelbe Sneaker. Die Schuhe waren brandneu - sie quietschten beim Gehen. Er setzte sich zu mir an den Tisch, ohne meine Antwort abzuwarten, und sagte: »Sie sind Kimberly Leamy, stimmt's?«

Ich unterrichtete an drei Abenden in der Woche am Northampton Community TAFE Fotografie und machte gerade zwischen zwei Stunden Pause. Normalerweise wimmelte es in der Cafeteria von Schülern, aber heute herrschte eine fast unheimliche, postapokalyptische Leere. Seit nun beinahe sechs Tagen regnete es ununterbrochen; dank der doppelt verglasten Fenster blieb der Lärm jedoch draußen.

»Kim genügt«, sagte ich leicht genervt. Von meiner Pause war nicht mehr viel übrig, und ich hatte das Alleinsein genossen. Anfang der Woche hatte ich eine alte zerlesene Ausgabe von Stephen Kings Friedhof der Kuscheltiere im Lehrerzimmer unter einem wackligen Tischbein gefunden und war seither eifrig dabei, sie zu verschlingen. Ich hatte schon immer gerne gelesen, und Horror gehörte zu meinen Lieblingsgenres. Meine jüngere Schwester Amy hatte häufig frustriert festgestellt, dass ich in derselben Zeit drei Bücher las, in der sie gerade mal eins schaffte. Der Trick des schnellen Lesens besteht darin, dass man ein langweiliges Leben führen muss, hatte ich ihr erklärt. Amy hatte einen Verlobten und eine dreijährige Tochter; ich hatte Stephen King.

»Mein Name ist James Finn«, sagte der Mann. Er legte eine Mappe zwischen uns auf den Tisch und schloss die Augen, wie ein olympischer Turmspringer, der sich mental auf seinen Sprung vorbereitet.

»Sind Sie Lehrer oder Schüler?«, fragte ich.

»Weder noch.«

Er schlug die Mappe auf, zog ein Foto im Format zwanzig mal dreißig heraus und schob es über den Tisch. Seine Bewegungen hatten etwas Mechanisches. Jede Geste war überlegt und souverän.

Die Aufnahme zeigte ein kleines Mädchen im grünen Gras, sie hatte tiefblaue Augen und einen dunklen Strubbelkopf. Sie lächelte - wenn auch ein bisschen geziert, als hätte sie keine Lust, fotografiert zu werden.

»Kommt Ihnen das Mädchen bekannt vor?«, fragte er.

»Nein, ich glaube nicht. Sollte sie?«

»Würden Sie noch mal genauer hinsehen?«

Er lehnte sich zurück, um meine Reaktion besser beobachten zu können. Ich tat ihm den Gefallen und betrachtete das Foto noch einmal. Die blauen Augen, das überbelichtete Gesicht, das Lächeln, das eigentlich keins war. Vielleicht kam sie mir jetzt tatsächlich bekannt vor. »Ich weiß nicht. Tut mir leid. Wer ist das?«

»Sie heißt Sammy Went. Das Foto wurde an ihrem zweiten Geburtstag aufgenommen. Drei Tage später ist sie verschwunden.«

»Verschwunden?«

»Entführt aus dem Haus ihrer Eltern in Manson, Kentucky. Direkt aus ihrem Zimmer im ersten Stock. Die Polizei konnte keinerlei Spuren finden, die auf einen Eindringling hingewiesen hätten. Es gab keine Zeugen, keinen Erpresserbrief. Sie hat sich einfach in Luft aufgelöst.«

»Ich denke, Sie wollen zu Edna«, sagte ich. »Sie unterrichtet Verbrechen und Justiz. Ich bin nur für Fotografie zuständig, aber Edna brennt für diese wahren Kriminalgeschichten.«

»Nein, ich bin wegen Ihnen hier.« Er räusperte sich und fuhr dann fort: »Manche waren überzeugt, dass sie in den Wald spaziert und dort von einem Kojoten oder einem Puma gerissen wurde, aber wie weit würde eine Zweijährige kommen? Das Wahrscheinlichste ist, dass Sammy gekidnappt wurde.«

»... okay. Dann sind Sie Ermittler?«

»Eigentlich bin ich Steuerberater.« Er atmete geräuschvoll aus, und ich roch Pfefferminz. »Aber ich bin in Manson aufgewachsen und kenne die Familie Went recht gut.«

Mein nächster Kurs sollte in fünf Minuten beg

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