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Meine Suche nach dem NichtsOverlay E-Book Reader
Lena Schnabl

Meine Suche nach dem Nichts

Wie ich tausend Kilometer auf dem japanischen Jakobsweg lief und was ich dabei fand

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Produktdetails

Verlag
Goldmann Verlag
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
416
Infos
416 Seiten
farbiger Bildteil
ISBN
978-3-641-23808-7

Kurztext / Annotation

Nach einer längeren Krankheit lässt die junge Journalistin Lena Schnabl ihr altes Leben hinter sich und macht sich auf den Weg ins japanische Hinterland, um dort einmal im Kreis zu laufen. Im Gepäck das Versprechen, die Leere und damit das höchste Glück zu finden. Auf Shikoku, dieser entrückten Insel abseits der Megastädte und Shinkansen-Trassen, verläuft der japanische Jakobsweg, der älteste Pilgerpfad der Welt: ein Auf und ab von 1.300 Kilometern und 88 Tempeln. Die Pilgerin wird über Berge klettern und an der Küste entlanglaufen, ihre Lehrmeister in Sachen Nirwana werden Mönche, Einheimische und andere Pilger sein, denen sie auf ihrer Reise begegnet. Wird es Lena gelingen, das glücksbringende Nichts zu finden?

Lena Schnabl ist freie Journalistin in Deutschland, Japan und der Welt. Sie fühlt sich in Megastädten wie Tokyo und São Paulo zu Hause, besitzt keinen Regenschirm und schreibt über Menschen, die durchfallen, durchkommen und durchknallen: Ein Mann, der 48 Jahre lang unschuldig im Todestrakt sitzt und dann frei kommt. Lastwagenfahrer, die im verstrahlten Fukushima gegen Atomkraft demonstrieren. Berliner Wrestler, die einander für Geld, Ruhm und das eigene Ego verdreschen. Sie studierte Japanologie, Sinologie und Politik in München und Sapporo und besuchte die Zeitenspiegel-Reportageschule. Ihre Reportagen erscheinen unter anderem bei Neon, Spiegel, Süddeutsche Zeitung, brand eins, das Magazin.

Textauszug

1

»Man geht wandern.«

(Freund, Berlin/Neukölln)

Berlin - Ich steige in die U-Bahn ein. Kottbusser Tor. Bitte zurückbleiben. Gelbe Bahn, graue Kacheln. Es riecht nach einer Mischung aus Schweiß, Döner und Parfum. Ich schiebe mir meinen Schal vor die Nase und umklammere die Haltestange. Neben mir steht eine klapperige Omi mit Gehwagen, hinter mir ein paar Halbstarke, die sich gegenseitig YouTube-Clips mit fetten Bässen vorspielen. Auch einer dieser Akkordeon-Bettler ist eingestiegen. In die Bässe der Halbstarken mischt sich nun noch sein Gedudel. Mir ist heiß. Mir ist schlecht. Und auf einmal ist nichts von alledem mehr da. Keine Töne, kein Licht, keine Gerüche.

Plötzlich ist da nichts mehr.

Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf dem Boden, Schweiß auf der Stirn. Die Omi, die Halbstarken, der Typ mit Akkordeon, alle über mich gebeugt, sorgenvolle Gesichter, sagen: »Mein Jöttchen!«, »Krass, Alter!« und »Katastroffff!«

Ich sage: »Passt schon« und denke: 'Was für eine Scheiße'.

Hier, am grindigen Boden der Berliner U-Bahn, Linie acht, zwischen Kottbusser Tor und Schönleinstraße, beginnt meine Pilgerreise nach Japan.

Wobei, eigentlich ging es schon früher los. Der Schlag, dessen Nachwirkungen mich in der Bahn auf den Boden sinken ließen, kam ebenfalls an einem Oktobertag.

Ein Jahr vorher.

Ich war bereits ein paar Tage merkwürdig erschöpft gewesen, immer müde, Watte im Kopf. Aber an diesem grauen Tag, an dem die Sonne nicht aufzugehen schien, lag ich in meinem Bett in Berlin-Neukölln und konnte mich nicht bewegen. Als läge eine Decke aus Blei auf mir oder als würde das Blei direkt in meinen Adern fließen. Ich hob meinen Kopf und ließ ihn wieder sacken. Ich machte die Augen zu. Ich machte die Augen wieder auf und versuchte es nochmal. Und sackte wieder zurück ins Bett. Mein Herz raste, als wäre ich gerade in den zehnten Stock gesprintet. Halsschmerzen hatte ich. Und einen heißen Kopf. Vielleicht eine Grippe. Draußen war Herbst, und der Baum vor meinem Fenster verlor sein Laub. Tagelang dämmerte ich vor mich hin. Aus Tagen wurden zwei Wochen. Es war, als hätte mir etwas ins Gesicht geschlagen. Keine Ohrfeige. Eher ein K.o.-Schlag. Mit der Faust mitten auf die Zwölf.

Ich versuchte, mir einen Film anzusehen, konnte der Handlung aber nicht folgen. Die vielen Bilder rauschten an mir vorbei, überforderten mich. All die Personen, die auftauchten, und das, was die einander sagten, verstand ich nicht. Das war alles viel zu viel. Und ich viel zu wenig. Ein Totalschaden. Nicht nur der Körper, auch der Kopf funktionierte nicht. Ich klappte den Laptop wieder zu. Ich war ein Bleiklumpen und die Welt außerhalb meiner selbst ein schwerer Nebel. Eine Grippe also? Aber die geht doch schneller vorbei? Zwei Wochen lang zu schwach, mir einen Tee zu kochen? Zu fertig, um einen Film zu schauen? Zu erschöpft, um mitzubekommen, was mir die Freunde erzählen, die mir Krankenbesuche abstatteten?

Ich schleppte mich zum Arzt. Ein paar hundert Meter geradeaus, Sitzen auf Stühlen im Wartezimmer. Ich hätte mich gerne hingelegt, lehnte den Kopf an die Wand. Der Arzt, lascher Händedruck, Lockenkopf, guckte mir in den Hals. »Sagen Sie mal Aaaah.« Klassiker. Außer »Ah« sagte ich noch: »Ich bin zu schwach, um zu sitzen.« Und er: »Belegte Mandeln und Erschöpfung? Ich tippe auf Mononukleose.«

»Mono-was? Und wie viele Tage dauert das?«

»Mononukleose.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Epstein-Barr.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Pfeiffersches Drüsenfieber«, sagte er. »Und um Ihre zweite Frage zu beantworten: Das kann Monate dauern.«

Bitte was?

»Manchmal auch Jahre.«

Pfeiffersches Drüsenfieber. Das hatte ich schon mal gehört. Eine Schulfreundi

Beschreibung für Leser

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