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Produktdetails

Verlag
Kösel-Verlag
Ediciones Destino Grupo Planeta
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
368
Infos
368 Seiten
ISBN
978-3-641-23925-1

Kurztext / Annotation

Die Schönheit im Unvollkommenen
Kintsugi ist eine traditionelle japanische Methode, um zerbrochene Keramik zu reparieren. Statt den »Makel« der Reparatur zu verbergen, werden die Bruchstellen durch Goldstaub im Kleber noch hervorgehoben. Der Psychologe Tomás Navarro überträgt dies auf die Zerbrechlichkeit, Schönheit und Stärke des Menschen und leitet daraus konkrete Handlungsschritte ab, um nach einer Krise einen Neubeginn zu wagen. Er zeigt, wie wir Verletzungen erkennen, Widrigkeiten annehmen und Resilienz entwickeln. Ob wir unser Selbstvertrauen verloren haben, unter Liebeskummer leiden oder den Verlust der Arbeitsstelle verarbeiten wollen - es gibt Wege, um daraus heil und gestärkt hervorzugehen.

Tomás Navarro ist Psychologe sowie Gründer einer Beratungsfirma und eines Zentrums für emotionales Wohlbefinden. Er teilt seine Zeit auf zwischen Schreiben, Training, Konferenzen, Coaching- und Beratungsprozessen. Bei seiner Arbeit als Coach liegen Tomás Navarro besonders die Menschen und das, was sie fühlen, denken und tun, am Herzen. Er lebt in Girona und Barcelona.

Textauszug

EINLEITUNG

SOKEIS TRAUM

Durch einen Türspalt war die Silhouette des hockenden Sokei zu sehen. Aufmerksam betrachtete der Schüler von Chojiro, einem der besten Keramiker Kyotos, die dreißig Tonklumpen, die vor ihm lagen. Schon den ganzen Morgen hockte er davor. Reglos. Ruhig. Abwägend. Der Reihe nach nahm er sie in die Hand und legte sie wieder zurück. Einen nach dem anderen. Jeden für sich. Plötzlich leuchtete auf Sokeis Gesicht ein zartes Lächeln auf. Endlich hatte er den geeigneten Klumpen gefunden!

Sokei war ein Junge von kluger Beharrlichkeit. Den richtigen Tonklumpen zu wählen, war ihm sehr wichtig; jeder einzelne fühlt sich anders an und inspiriert den Künstler auf besondere Weise. Der sorgfältige Umgang mit den Details unterscheidet Gewöhnliches von Außergewöhnlichem, und Sokei war entschlossen, ein einzigartiges, außergewöhnliches Stück zu schaffen.

Mit vor der Brust gefalteten Händen verneigte er sich vor dem ausgewählten Tonklumpen. Dann nahm er ihn behutsam vom Tisch und genoss die mit diesem so einzigartigen Moment verbundenen Empfindungen. Er spürte die Feuchtigkeit und leichte Kühle des Tons. Seine Seele verband sich mit der Seele des Tons, mit dessen Geschichte und dessen Reise bis hierher, in seine Hände.

Tagelang hatte Sokei nach dem passenden Ton gesucht. Seine Suche hatte ihn in Wälder, an Flussufer und bis an den Biwa-See geführt. Mit geschlossenen Augen hatte er die Hände in die Tonerde versenkt, um tiefer mit ihrem Wesen in Berührung zu kommen. Als er nun hier in der Werkstatt die Augen schloss, erinnerte er sich an die Hoffnungen und Träume, die seine Wahl geweckt hatte, und fühlte sich glücklich und dankbar.

Er setzte sich in einer Ecke der Werkstatt ans Fenster, an den Platz, an dem er so viele Stunden gelernt hatte. Der Jugend geht die Ausbildung nicht schnell genug. Dauert sie zu lange, sind sie enttäuscht, verlieren die Motivation und hören auf zu lernen. Sie machen sich nicht klar, dass man zum Lernen, und damit das Erlernte sich setzen kann, Zeit, Aufmerksamkeit und Neugier braucht. Aber Sokei war kein Jugendlicher wie die anderen, Sokei war geduldig wie ein alter Mann und lernbegierig wie ein Kind. In Sokeis Kopf sprudelten die Ideen, seine Augen strahlten vor Begeisterung und sein Herz schlug im frenetischen Rhythmus der Ungeduld. Er wusste, dass dies ein ganz besonderer Augenblick war, aber er wusste auch, dass sein Körper, sein Geist und seine Seele zur Ruhe kommen mussten.

Von einem anderen Teil der Werkstatt aus betrachtete Chojiro ihn aufmerksam. »Junge Menschen sind so lebhaft«, dachte er. Aber Sokei war anders. Er besaß große Empfindsamkeit und eine ungewöhnliche emotionale Stärke. Chojiro wusste, in ihm hatte er seinen Nachfolger vor sich: einen jungen Menschen mit dem Gleichmut dessen, der bereits ein ganzes Leben hinter sich hat, und der Energie dessen, der noch das ganze Leben vor sich hat.

Sokei schloss die Augen und befühlte den Ton. Bedachtsam knetete er den Klumpen, spürte, wie seine Finger eins wurden mit Ton, Erde, Natur und Kunst. Mit dem Tonklumpen in den Händen spürte er, dass alles möglich war, dass eine der unendlich vielen Formen, die in diesem Ton schlummerten, darauf wartete, mit den Händen des Keramikers zu verschmelzen. Sokei nahm Verbindung zu all diesen möglichen Formen auf, stellte sie sich vor, erspürte sie. Bedächtig begann er, die Ränder einer Schale zu formen, und dachte dabei an nichts anderes, richtete seinen Geist allein auf das Hier und Jetzt, denn zwei Dinge gleichzeitig zu tun, würde zu keinem gelungenen Ergebnis führen. Er wusste, wenn er etwas Außergewöhnliches vollbringen wollte, musste er dieser einen Schale all seine Aufmerksamkeit widmen. Er war so konzentriert bei der Arbeit, dass er das Gefühl für Zeit und Raum verlor. Sein Universum lag jetzt ganz in seinen Händen. In diesem Augenblick gab es nichts außer ihm und seiner Scha

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