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Hautfreundin. Eine sexuelle BiografieOverlay E-Book Reader
Doris Anselm

Hautfreundin. Eine sexuelle Biografie

Roman

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Produktdetails

Verlag
Luchterhand Literaturverlag
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
256
Infos
256 Seiten
ISBN
978-3-641-24145-2

Kurztext / Annotation

Gibt es noch schmutzige Worte? Hilft fesseln gegen Traurigkeit? Besitzt ein Mann mit einer schönen Stimme auch eine schöne Zungenspitze? Kann man zu zärtlich sein, wenn man bloß eine Affäre hat? Und gedeiht im Unanständigen vielleicht ein besonderer Anstand? - Sie ist eine Frau, die Sex mag und seltsame Fragen, ihre eigene Haut und die Haut ganz verschiedener Männer. Direkte Berührung ebenso wie den Salto ins Fantastische. Sie flirtet lieber unterwegs als online, weil sie den kleinen Rausch des ersten Schritts liebt. Ihr Blick auf Sex ist zugleich lustvoll und schräg, präzise und sanft. Die Männer, denen sie nah kommt, gehen ihr nah. Aber worauf steht sie eigentlich selbst? Und wie hat das angefangen? Nach und nach ergeben die Geschichten ihrer hautnahen Begegnungen eine Geschichte: die überraschend glückliche sexuelle Biografie einer freien Frau. So sinnlich erzählt, dass die Sprache selbst Feuer fängt.



Doris Anselm, 1981 in Buxtehude /Niedersachsen geboren, hat Kulturwissenschaften in Hildesheim studiert, anschließend volontiert und lebt in Berlin. Dort hat sie 10 Jahre lang als Radioreporterin gearbeitet. 2014 war sie Hauptpreisträgerin des Literaturwettbewerbs open mike.

Textauszug

Das Wort

»Du sprichst es mit einer Art Leidenschaft, einer Art Dringlichkeit aus, denn du spürst, wenn du aufhören würdest, es auszusprechen, dann würde dich die Angst wieder überwältigen, und du würdest in dieses verlegene Flüstern zurückfallen.«

Eve Ensler

Seine Stimme klang wie das sachte Fauchen eines kleinen Gasbrenners. Wahrscheinlich berührte sein Mund das Mikrofon des Headsets, und vielleicht telefonierte er nicht im Sitzen, sondern im Liegen. Mit geschlossenen Augen. Er hätte sich mit dieser Stimme einem Raubtier nähern können, ohne dass es erschrak.

Zuerst sagte er ganz andere Wörter zu mir: Kundenservice und Auftragsbestätigung, Produktfehler, Gutschrift, Adressabgleich. Bevor wir überhaupt das erste Mal miteinander redeten, bat mich eine Computerstimme, Ja zu sagen. Ich sollte Ja sagen, wenn ich damit einverstanden sei, dass das Telefonat aufgezeichnet würde. Ich sagte Nein. Die Computerstimme sagte, sie habe mich nicht verstanden, und wiederholte die Frage. Diesmal schwieg ich. Sie fragte noch zwei Mal, aber ich kann ausdauernd schweigen. Nach dem dritten Mal sagte die Stimme, als sei nichts gewesen: »Ihr Gespräch wird, wie gewünscht, nicht aufgezeichnet.«

Dann knackte es in der Leitung und ein Freizeichen ertönte.

Mein Anruf hatte keinen vertraulichen Grund. Ich habe zum Beispiel nicht wegen des Wortes angerufen. Natürlich nicht. Wo könnte man da auch anrufen und sich beschweren? Nein, mir ist bloß die Vorstellung unbehaglich, dass Servicehotlines ihre Mitarbeiter überwachen - und mich ebenfalls. Früher musste man dann zu der Person am Telefon sagen, dass man keine Aufzeichnung wünschte. Ein seltsamer Gesprächsbeginn.

Das Freizeichen endete.

»Kundenservice?« Etwas Diskretes lag in seiner Stimme. Sie dunkelte das Zimmer ab, bis auf einen schmalen Lichtkegel um uns herum.

»Hallo«, sagte ich, so leise wie er, und dann, ganz überflüssig: »Ich habe der Gesprächsaufzeichnung widersprochen.«

»Gut.« Er machte eine Pause. Wahrscheinlich tat er aus Höflichkeit so, als ob er etwas eingab, aber die Pause klang wie Gut, dann sind wir ungestört. »Was kann ich denn für Sie tun?«

Ich hatte nicht wegen des Wortes angerufen, dabei gab es mit dem Wort eindeutig ein Problem. Im Grunde hatte es immer Probleme mit dem Wort gegeben. Als kleines Mädchen wusste ich schon, was es bezeichnete und dass ich so etwas besaß. Auch der Zweck war mir ungefähr bewusst, doch dabei ging es um eine ferne Zukunft, also machte ich mir keine weiteren Gedanken. Alles war gut. Mit der Sache stimmte alles. Nur mit dem Wort eben nicht. Das merkte ich zunächst nur an der seltsamen Art, wie es gesagt wurde. Bei uns zuhause trug es eine Betonung, als sei es das normalste Wort der Welt. Normaler als die anderen. Normaler als Ellbogen zum Beispiel. Oder Kühlschrank. Supernormal sozusagen. Doch unterwegs, beim Einkaufen, im Kindergarten, in der Öffentlichkeit also, fiel das Wort überhaupt nie. Das schien mir paradox. Wäre ich mutiger gewesen, hätte ich nachgefragt. Oder das Wort laut auf der Straße gesungen, um zu sehen, was dann passierte.

Endgültig suspekt wurde es mir, als ich von meiner Mutter erfuhr, dass sie regelmäßig zu einem Arzt ging, der nachprüfte, ob mit ihrem Wort alles in Ordnung war. Auch ich würde später dorthin gehen müssen, sagte sie. Mir kam es verdächtig vor, einen Arzt speziell dafür zu haben. Der einzige andere spezielle Arzt, zu dem man regelmäßig ging, war der Zahnarzt.

»Tut es weh?«, fragte ich.

»Nein«, sagte meine Mutter.

Sie hat alles richtig gemacht. Meine Eltern haben das meiste richtig gemacht. Sogar die Welt machte zu der Zeit vieles richtig. Offiziell und in der Sache gab es kein Problem mehr, und die weitere Entwicklung schien zügig zu verlaufen.

Aber das Wort hielt nicht mit.

Ich glaube, Wörter

Beschreibung für Leser

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