0 0,00*
Der weiße AbgrundOverlay E-Book Reader
Henning Boëtius

Der weiße Abgrund

Ein Heinrich-Heine-Roman

EPUB sofort downloaden
Downloads sind nur in Italien möglich!


Produktdetails

Verlag
btb Verlag
Erschienen
2020
Sprache
Deutsch
Seiten
192
Infos
192 Seiten
ISBN
978-3-641-26503-8

Kurztext / Annotation

Paris, um 1850. Durch eine unheilbare Krankheit ans Bett gefesselt, versucht Heinrich Heine seinem bevorstehenden Tod ein letztes Werk abzutrotzen: seine Memoiren, die sein Opus magnum werden sollen. An den illustren Diners der Pariser Bohème kann er schon lange nicht mehr teilnehmen. Stattdessen empfängt er gelegentliche Besuche deutscher Exilanten oder französischer Künstlerfreunde. Dann sucht überraschend Elise Krinitz seine Bekanntschaft: eine junge Frau, die Heine bewundert und zugleich hofft, in ihm einen Mentor für ihre eigenen literarischen Ambitionen zu finden. Mit ihr, die er zärtlich-ironisch 'Mouche' nennt, hat er bald darauf eine zwar platonische, aber nicht minder leidenschaftliche 'Affäre'. Seine Memoiren aber werden, nachdem Heine am 17. Februar 1856 stirbt, für alle Zeit verschollen bleiben.

Eingebettet in ein faszinierendes Panorama des Paris seiner Zeit, zeichnet Boëtius' Roman das einzigartige Porträt der letzten Lebensjahre des großen deutschen Dichters Heine.

Henning Boëtius (1939-2022), wuchs auf Föhr und in Rendsburg auf und lebte zuletzt in Berlin. Er studierte Germanistik und Philosophie und promovierte 1967 mit einer Arbeit über Hans Henny Jahnn. Boëtius war Verfasser eines vielschichtigen Werkes, das Romane, Essays, Lyrik und Sachbücher umfasst. Sein Roman 'Phönix aus Asche' wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Bekannt wurde er außerdem durch seine Kriminalromane um den eigenwilligen niederländischen Kommissar Piet Hieronymus.

Textauszug

Romeo und Julia

In Paris herrscht den ganzen Sommer 1854 über schönstes Wetter, ein glücklicher Umstand, der dem kranken Dichter, den alle liebevoll Henri nennen, den Umzug in seine neue Wohnung in der Rue Matignon sehr erleichtert. Die alte Wohnung ist viel zu klein. Henri verfügt dort über kein Krankenzimmer. Alle Geschäfte der Haushaltsführung finden in seiner unmittelbaren Nähe statt. Irgendwo wird außerdem ständig Pianoforte geübt, eine Qual für den geräuschempfindlichen Poeten.

Henris Frau hat sich lange gegen eine Umsiedlung gesträubt. Sie fürchtet, dass nun das Geld zu knapp werden wird, um ihren Lieblingsbeschäftigungen nachgehen zu können, teure Kleider kaufen, mit Freunden ausgehen, gut essen und Champagner trinken. Um zu sparen, hat sie ihren Mann überredet, die schwarze Pflegerin, die Mulattin, zu entlassen. Als ehemalige Schuhverkäuferin aus einfachen Verhältnissen stammend, ist Mathilde außerdem enge Wohnverhältnisse gewohnt. Aber als Ende Juni das Nachbarhaus in der Rue Amsterdam lichterloh brennt und die Flammen auf ihre Wohnung überzuschlagen drohen, willigt sie in das Vorhaben ihres Mannes ein.

Er hat die Hitze der Wand gespürt und mit seinem überempfindlichen Gehör das Züngeln der Flammen und das Rauschen des Wassers aus den neuartigen Dampfspritzen der Feuerwehr wie ein stürmisches Meer wahrgenommen, dessen Wellen ihn zu verschlingen drohen. Er hat zwar nichts gegen das Verbrennen von Manuskripten, schon mehrfach hat er schließlich selbst Texte und Briefe in den Ofen gesteckt, wenn sie ihm nicht mehr gefielen oder zu kompromittierend waren. Er weiß sehr wohl um die Schwäche mancher seiner Verse, wenn er zu mechanisch die Reimdrehorgel bedient. Auch hat der erst zwölf Jahre zurückliegende verheerende Große Brand von Hamburg, der auch die Wohnung seiner geliebten Mutter zerstörte, seine dort lagernden Manuskripte in Asche verwandelt. Aber ein Autodafé am Autor geht ihm entschieden zu weit. Als dann auch noch das Hämmern und Sägen der Arbeiter beginnt, die das vom Feuer beschädigte Mauerwerk reparieren, besteht er auf einem sofortigen Wohnungswechsel.

Seine stark übergewichtige Frau begibt sich daher trotz der enormen Hitze auf die Suche nach einem neuen Quartier. Während sie ächzend durch die Straßen stiefelt, bilden sich große Schweißflecken unter den Achseln ihres Kleides. Schließlich betritt sie eine Gaststätte, um sich bei Kuchen und Eiswasser mit einem Schuss Absinth zu erfrischen. Sie ist seit geraumer Zeit eine treue Freundin der grünen Fee.

Mathilde ist ungebildet und voller Leben, was vielleicht sogar zusammenhängt. Heine hat sie vor nunmehr 21 Jahren kennengelernt, als er sich in der berühmten, gasbeleuchteten Passage des Panoramas am Boulevard Montmartre Halbstiefel aus Ziegenleder kaufen wollte, solche, wie sie der Dandy Brumel populär gemacht hatte. Auch Henri gab sich gerne als Dandy. Er pflegte hierherzukommen, nicht nur um Schuhe zu kaufen, sondern auch weil hier die schönsten Prostituierten flanierten. Er war nicht besonders groß, eher zierlich gebaut und doch zugleich muskulös. Seine Gesichtszüge waren fein gezeichnet, die lange Nase edel geformt, der kleine Mund mit den rosigen Lippen fast mädchenhaft. Die weichen, hellbraunen Haare umflossen seine hohe blasse Stirn wie ein Vorhang, hinter dem sich Witz und frivole Gedanken verbargen. Meistens trug er einen hellen, zerknitterten Anzug mit einer roten Rose im Knopfloch des Revers, hatte einen verbeulten Strohhut auf und benutzte hin und wieder eine Brille, um die Damen zu mustern, die er wegen seiner starken Kurzsichtigkeit sonst nur verschwommen wahrnehmen konnte. Er setzte die Sehhilfe jedoch immer schnell wieder ab, wenn er meinte, gefallen zu wollen. Und er gefiel den Damen, denn seine Männlichkeit war von kindlicher Grazie. Er erinnerte an einen Amor, dessen Blick aus leicht verschwimmenden Augen unter den ebenmäßigen Bögen der Brauen Liebespfeile zu versenden schien, ein Phänomen

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet