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Produktdetails

Verlag
btb Verlag
Erschienen
2020
Sprache
Deutsch
Seiten
704
Infos
704 Seiten
ISBN
978-3-641-26993-7

Kurztext / Annotation

Die Fortsetzung des SPIEGEL-Bestsellers und der gleichnamigen erfolgreichen Netflix-Serie 'Unorthodox'
Mit 23 verlässt Deborah Feldman die ultraorthodoxe chassidische Gemeinde der Satmarer Juden in Williamsburg, New York, und damit das Leben, das sie in »Unorthodox« so packend erzählt hat. Die Möglichkeit zurückzukehren hat sie nicht. Sie folgt ihrem großen Traum, gemeinsam mit ihrem Sohn in Freiheit zu leben. Sie verlässt New York und folgt den europäischen Spuren ihrer geliebten Großmutter, die den Holocaust überlebt hat und die die einzige Person war, bei der sich die junge Frau angenommen fühlte. Schließlich gelingt es Deborah Feldman, Wurzeln zu schlagen, ausgerechnet in Berlin, dem Ort, der durch die Satmarer mit so vielen Ängsten und Vorurteilen verbunden war. Bildstark, wortgewaltig erzählt Deborah Feldman die beeindruckende Geschichte einer Selbstfindung und Versöhnung mit der Vergangenheit.

DEBORAH FELDMAN (geb. 1986, New York) wuchs in der chassidischen Satmar-Gemeinde im zu Brooklyn geho?renden Stadtteil Williamsburg, New York, auf. Ihre Muttersprache ist Jiddisch. Sie studierte am Sarah Lawrence College Literatur. Heute lebt die Autorin mit ihrem Sohn in Berlin.

Textauszug

»Alle sieben Jahre sollst du ein Erlassjahr halten.«

Deuteronomium 15:1

VORWORT

IN WILLIAMSBURG, wo ich innerhalb der Grenzen der chassidischen Satmarer Gemeinde aufwuchs, lehrte man uns Kinder früh die alten biblischen Gesetze aus der Zeit der Tempel, jener Periode vor der Diaspora, als die jüdischen Menschen noch einen Sinn dafür hatten, was ein Zuhause bedeutete und die Würde, die sich daraus ergibt. Diese Gesetze fühlten sich für uns wie abstrakte Ideen an, sie waren Teil eines großen Erbes, das uns zum Trost gereichen sollte, das auch einzusetzen wir aber nur selten die Gelegenheit erhielten.

Die Ausnahme bildete der Garten meiner Großmutter, vielleicht sogar eines der letzten Fleckchen Erde in Williamsburg, das nicht völlig zubetoniert war. Dieser Garten war die persönliche Zufluchtsstätte meiner Bubby, ein Stück Natur im Kleinen, in das sie sich zurückzog, wenn es sie nach Ruhe und Frieden verlangte, wohingegen mein Großvater alles dafür tat, diesem Refugium eine religiöse Ordnung aufzubürden, ganz so, wie er es mit allen Dingen in seinem Leben hielt. Gut möglich, dass ihm dies nach dem Chaos, das er während des Krieges hatte durchleben müssen, ein wenig Trost spendete.

Wie auch immer, es war die Ordnung der Natur selbst, der sich meine Großmutter, auch sie eine Holocaustüberlebende, verpflichtet fühlte. Der Konflikt, der während ihrer gesamten Ehe zwischen ihnen gärte, kann sehr wahrscheinlich auf diese beiden miteinander im Wettstreit liegenden Formen der Loyalität zurückgeführt werden, und vielleicht gilt das auch für jenen Konflikt, der schon früh in mir selbst zu gären begann. Im Falle meiner Großeltern war es mein Zeide, der schließlich triumphierte. Der Garten, den meine Großmutter über Jahre hinweg so liebevoll kultiviert hatte, wurde einem uralten religiösen Gesetz unterworfen, dessen starre Anwendung sich für dieses Paradies im Kleinen als tödlich erwies und in gewisser Weise zum Verlust jener Großmutter führte, die ich kannte und liebte, was ich jedoch erst Jahre später realisieren sollte, als ich mit ihrer plötzlichen körperlichen Abwesenheit schwer zu kämpfen hatte.

Während meiner ausschließlich religiösen Erziehung auf der privaten Mädchenschule wurde ich unter anderem über die umfangreichen landwirtschaftlichen Gesetze im alten Israel unterrichtet, und mir wurde beigebracht, dass man damals das Land jedes siebte Jahr ruhen ließ. Auf Hebräisch sagt man dazu Schmitta, oder Schabbatjahr. Gott hatte befohlen, das Land in dieser Zeit brachliegen zu lassen. Keine landwirtschaftliche Tätigkeit war erlaubt, nichts, was in irgendeiner Form dem Wachstum hätte dienlich sein können. Jegliche Frucht galt als herrenlos, sie war sich selbst überlassen und fiel zu Boden, sobald ihre Zeit gekommen war. Den Armen war gestattet, private Ländereien zu betreten und sie dort für sich aufzusammeln. Jegliche Schuld war erlassen. Es war wie ein Neubeginn, für das Land, aber auch für die Menschen, die sich auf ihm abplagten. Es galt als eine Art Prüfung religiösen Gehorsams, der in den nachfolgenden Jahren mit reichen Ernten belohnt werden würde.

In der Welt, in der ich aufwuchs, kam man in der unerbittlichen Ordnung religiöser Dogmen nicht zu Atem. Aber ich erinnere mich, wie sich schon damals, als mein Großvater gnadenlos die alten landwirtschaftlichen Gesetze auf dieses kleine, überforderte Stück Land hinter unserem Wohnhaus anwandte, abwegige Gedanken durch den lockeren Nährboden meines jungen Geistes gruben, ganz ähnlich den rundlichen Regenwürmern, wie sie meine Großmutter häufig unter den Sträuchern sich windend vorgefunden hatte, denn ich mutmaßte bereits damals, dass die Gesetze Gottes doch nicht dafür vorgesehen sein konnten, das Land abzutöten, sondern es wieder aufzufrischen. Ich stellte mir vor, dass ich Gott besser kannte als irgendeiner der alten und weisen Menschen um mich herum; ich nahm

Beschreibung für Leser

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