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Produktdetails

Verlag
Aufbau Digital
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
320
Infos
320 Seiten
ISBN
978-3-8412-1728-8

Kurztext / Annotation

Von Opfern und Tätern.

Ende April 1945. Der Krieg geht zu Ende. Nachdem er schwer verwundet wurde, ist Jens Druwe aus Berlin nach Schleswig-Holstein abkommandiert worden. Hier soll er als Polizist für Ordnung sorgen. Als ein hoher Funktionär der NSDAP ermordet wird, wollen seine Vorgesetzten sogleich den ersten Verdächtigen, einen entflohenen Häftling, aburteilen. Doch Druwe stellt sich gegen die Profiteure des untergehenden Regimes. Ihm zur Seite steht allein die Schwester des Verdächtigen, die wie er voller Mut und Hoffnung den Kampf gegen einen übermächtigen Gegner aufnimmt ...

Ein Mordfall vor einer ungewöhnlichen historischen Kulisse - und ein Ermittler, der dem Grauen des Krieges eines entgegenhält: die Liebe zur Wahrheit.



Michael Jensen wurde 1966 im Norden Schleswig-Holsteins geboren. Er lebt mit seiner Familie in Hamburg und Flensburg. Im Hauptberuf ist er als Arzt und Therapeut tätig. Seine beruflichen Erfahrungen hat er in zwei Sachbüchern zusammengetragen. Dabei interessieren ihn besonders die seelischen Spätfolgen des Zweiten Weltkriegs, vor allem bei den Nachkommen von Opfern und Tätern. »Totenland« ist sein erster Kriminalroman. Für sein literarisches Schreiben hat er ein Pseudonym gewählt.

Textauszug

2

In einem Theater brach hinter den Kulissen Feuer aus.

Der Pierrot trat an die Rampe, um das Publikum davon zu unterrichten.

Man glaubte, es sei ein Witz, und applaudierte.

Er wiederholte seine Mitteilung; man jubelte noch mehr.

So, denke ich mir, wird die Welt eines Tages untergehen.

Søren Kierkegaard (1813-1855), Entweder - Oder

Endzeit
27. April 1945

Jens Druwe erwachte auf dem Revier. Er sah auf die Uhr. Erst zehn. Sein Atem ging schnell, Schweiß stand auf seiner Stirn. Die Träume. Wie so oft. 1914 hätte sein Jahr werden können. Wenn die Welt nicht anders entschieden hätte. Er war damals seit knapp einem Jahr Polizeianwärter. Ausbildung an der kaiserlichen Polizeischule in Hamburg. Und dann Krieg. Deutschland gedemütigt und bereit, seine Ehre zu verteidigen. Zwei Tage nach Kriegsausbruch kamen die Werber an die Schule. Schneidige Offiziere, die von Pflicht und Ruhm sprachen. Fünf Tage später war der junge Druwe Rekrut in einer Rendsburger Kaserne am neuen Kaiser-Wilhelm-Kanal. Dreißig Tage Schleifen. Hoch. Raus. Laufen. Rein. Runter. Hoch. Eine Parabel auf sein Leben, aber das wusste er damals noch nicht. Einen Tag Freigang nach Leck in Friesland zu den weinenden Eltern.

Danach hing vier Jahre lang Deutschlands Ehre an Druwes Stiefeln. Und an den Stiefeln vieler anderer junger Männer. Sie klebte wie Scheiße, aber sie roch nach Blut. Er konnte sie noch heute riechen. Könnte aber auch der Mundgeruch sein, dachte er, als er sich langsam erhob. Der Kopf schmerzte. Die Pritsche in der Zelle war ziemlich hart. Druwe hatte am Nachmittag zwei Klare gekippt. Und abends eine Luminal eingeworfen. Dann war er zu einer der leeren Zellen gegangen und dort offenbar eingenickt. Er hatte zwar als Revierleiter ein eigenes Zimmer mit Schreibtisch und einem kleinen Sofa. Aber wenn er melancholisch wurde, war er gern hier in der Zelle. Der Knast macht die Leute kaputt, also ist er perfekt für mich, dachte er oft. Ich bin es ja schon. Vor dem Krieg saßen viele Leute für ein paar Tage im Bau. Diebstahl, Schlägerei, Beleidigung. Seit Kriegsbeginn waren die Gäste dann aber zunehmend ausgeblieben. Wer auffällig wurde, kam entweder an die Front oder ins KL. Mit etwas Glück wurde es nur Zuchthaus. Aber in den ländlichen Dienststellen der Ordnungspolizei - wie hier in Glücksburg an der Ostsee - standen die Zellentüren meistens offen.

Glücksburg im April 1945. Nicht gerade der Nabel der Welt. Jens Druwe war seit etwas mehr als einem Jahr Revierleiter der hiesigen Polizeidienststelle. Er stammte aus Nordfriesland, das lag quasi um die Ecke. Man konnte also fast sagen, er wäre ein wenig nach Hause zurückgekehrt, als man ihn hierher versetzte. Fast ein Vierteljahrhundert war vergangen, seit er seine Heimat verlassen hatte. Anfang der zwanziger Jahre war er erst nach Hamburg gegangen, dann nach Berlin. Schließlich hatte ihn Hitlers blutig-heißer Atem bis nach Stalingrad geweht, aber das wollte er lieber vergessen. Hier oben im Norden hörte er wieder das vertraute Moin. Und Moin Moin, wenn die Leute in Sabbellaune waren. Dazu ein angedeutetes Nicken, wenn sie sich freuten, dich zu sehen. Es hieß, Friesen seien wortgewandt, weltoffen und kontaktfreudig. Sofern sie wollten. Und meistens wollten sie nicht.

Druwe hatte in seinen fast fünfzig Lebensjahren viel gesehen. Und viel erlebt. Überlebt. Kaiser, Krieg, Revolution, Weimar, wieder Krieg. Hitler und sein Tausendjähriges Reich. Zugegeben, es schien, als würden sich die Nazis schwertun, die verbleibenden 988 Jahre noch zusammenzubekommen. Und Druwe hatte zwei Weltkriege erlebt. Für den ersten hatte er sich noch jubelnd freiwillig gemeldet, und diese vier Jahre hatten keinen Raum für Illusionen in ihm zurückgelassen. Er kannte den Tod. Er war schmutzig. Und schmerzhaft. Für ihn waren Soldaten nur abgerichtete Tiere, die auf

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