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Peter Walther

Fieber

Universum Berlin 1930-1933

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Produktdetails

Verlag
Aufbau Digital
Erschienen
2020
Sprache
Deutsch
Seiten
304
Infos
304 Seiten
ISBN
978-3-8412-1973-2

Kurztext / Annotation

Eine Stadt im Fieber - die Schicksalsjahre 1930 bis 1933. Berlin, März 1930: Mit der Amtsübernahme des Kanzlers Heinrich Brüning beginnt das letzte Kapitel der Weimarer Republik. In den kommenden drei Jahren wird Berlin in den Bürgerkrieg und schließlich ins 'Dritte Reich' taumeln. Als spannende Literatur liest man Peter Walthers Schilderung, und doch basiert alles auf historischen Tatsachen. Unerwartet führt er die Lebenswege seiner neun so unterschiedlichen Protagonisten auf dem Schauplatz eines politischen Kriminalfalls zusammen, der das Gesicht der Welt verändert hat. Mit pointierten, aussagestarken Porträts u. a. von Heinrich Brüning, Erik Jan Hanussen, Maud von Ossietzky, Ernst Thälmann und Dorothy Thompson. »Berlin ist am Ende der Weimarer Republik Schauplatz eines politischen Dramas. Peter Walther zeichnet ein facettenreiches Bild dieser Jahre - so packend erzählt wie ein Roman.« LUTZ SEILER

Peter Walther, geboren 1965 in Berlin, studierte u. a. in Falladas Geburtsstadt Greifswald Germanistik und Kunstgeschichte und wurde 1995 in Berlin promoviert. Zusammen mit Birgit Dahlke, Klaus Michael und Lutz Seiler gab er die Literaturzeitschrift 'Moosbrand' heraus. Heute leitet er gemeinsam mit Hendrik Röder das Brandenburgische Literaturbüro in Potsdam. Er ist Mitbegründer des Literaturportals 'literaturport' und veröffentlichte Bücher zur Geschichte der Fotografie sowie zu Schriftstellern wie Johann Wolfgang von Goethe, Peter Huchel, Günter Eich und Thomas Mann. Er ist Autor der viel gelobten Biographie »Hans Fallada«. 2018 gab er unter dem Titel »Junge Liebe zwischen Trümmern« unveröffentlichte Erzählungen Falladas heraus.

Textauszug

Der Tugendhafte
Heinrich Brüning

Reichskanzler Heinrich Brüning während eines Festessens, 1931/32.

1

Das kleine, rostrot angestrichene Holzhaus in der Carpenter Street in Norwich in Vermont liegt nur wenige hundert Meter vom Connecticut River entfernt. Nach Osten breiten sich weite Felder aus, im Norden und Westen grenzt ein Waldstück an, Richtung Süden aber ist das Städtchen zu sehen. Die größte Attraktion in Norwich ist der General Store.

Der alte Mann, der vor dreizehn Jahren Haus und Garten mit einer Anzahlung von fünfundzwanzigtausend Dollar gekauft hat, freut sich, die Bäume Jahr um Jahr wachsen zu sehen. Durch die breiten Fenster des Hauses schaut er im Herbst den Vögeln hinterher, die sich zum Zug formieren. Claire Nix, seine dreiunddreißig Jahre jüngere Lebensgefährtin, liest ihm manchmal aus Büchern von Alexander von Humboldt und Annette von Droste-Hülshoff vor. Gemeinsam hören sie das »Kaiserquartett« von Haydn und die »Winterreise« von Schubert. Bewacht wird das kleine Anwesen von Puli, dem ungarischen Schäferhund.

Die deutschen Zeitungen und Zeitschriften kommen stets mit ein paar Tagen Verzögerung an. Aber die Nachrichten, die der Rundfunk aus Bonn sendet, sind aktuell. Jahrelang schon verfolgt der alte Mann die Sendungen auf Kurzwelle. Längst vorbei ist die »Oberbürgermeisterei« Adenauers, wie er die Regierungsarbeit seines einstigen Kontrahenten etwas despektierlich nennt, auch Heinrich Lübke, sein alter Bekannter, ist nicht mehr Präsident in der Heimat. Dagegen hat Walter Ulbricht, dessen Fistelstimme ihm von damals noch im Ohr klingt, im Osten weiter das Sagen.

Verrutscht er auf der Skala seines Radios mit dem Zeiger, hört er »Honky Tonk Women« von den Stones oder »I Heard It Through the Grapevine« von Marvin Gaye. Es ist der 30. März 1970. Auf den Tag genau vier Jahrzehnte nach seinem Amtsantritt stirbt Heinrich Brüning, der ehemalige Kanzler des Deutschen Reichs, im fernen Vermont. Sein Hausrat ist nach Unterlagen des Gemeindearchivs Norwich fünfhundertvierzig Dollar wert, seine unveröffentlichten Papiere werden auf hundert Dollar taxiert.

Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus.

2

»Ihr Werk, Ihr Mann«, gratuliert Theodor Wolff, Chefredakteur des »Berliner Tageblatts«, dem General Kurt von Schleicher am Abend des 30. März 1930 nach der Vereidigung Heinrich Brünings zum Reichskanzler. Drei Tage zuvor sitzt Brüning im Kreis von Freunden aus der Zentrumspartei in seinem Lieblingsrestaurant, im »Weinhaus Rheingold«.

Das Restaurant an der Potsdamer Straße ist in vierzehn Säle aufgeteilt. Wie in einem großen Themenpark ist jeder Saal von einer bestimmten Epoche oder einem Kulturkreis inspiriert. Für das weltläufige Publikum ist die »Bar Americain« gedacht, während die vaterländische Kundschaft den »Kaisersaal« vorzieht, den sich die Gäste mit Skulpturen von Karl dem Großen, Otto dem Großen, Barbarossa und Wilhelm I. teilen.

Die Ausstattung ist luxuriös - Mahagoni, Onyxmarmor und Ebenholz -, die Küche gehoben. Bis zu viertausend Gäste finden Platz im »Weinhaus Rheingold«, was den überbordenden Luxus in einem befremdlichen Kontrast zur fehlenden Exklusivität des Ortes erscheinen lässt. Das Großrestaurant ist auch bei anderen Parteiführern beliebt, etwa bei den Nationalsozialisten. Wenn der »Chef« in Berlin ist und die Parteikasse es zulässt, steigt er im »Kaiserhof« ab und lädt am Abend ins »Rheingold«. Hier sitzt er dann mit seiner hübschen Nichte Geli, mit Heß und Göring, Amann und Goebbels.

Thema des Abends in Brünings Stammkoje ist der Sturz des Kabinetts Müller. Allgemein gilt es als Wunder, dass die Regierung mit den Sozialdemokraten überhaupt so lange gehalten hat. Am Ende sei Reichskanzler Hermann Müller, meint Brüning über das Regierungsende seines Vorgängers, »von der eigenen Partei langsam z

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