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Rezensionen

Rezension von nil_liest

Stillleben der Spießigkeit

 

Jesolo, ein piefiger Familienurlaubsort, der in die Jahre gekommen ist. Szenerie und Stimmung ist von der ersten Seite an klar gesetzt. Der Titel gibt den ersten Klang im Text: Jesolo - nicht mehr nicht weniger.

Die Protagonistin Andrea, 35 Jahre alt, ist von der eigenen Lebenswelt und vor allem vom Lebensgefährten maßlos gelangweilt und vermisst die große weite Welt in vielen Hinsichten. Sie empfindet Familie als einzwängendes Korsett und möchte dem alltäglichen entrinnen.

Sie wird schwanger und es wird die Geschichte ihrer Schwangerschaft erzählt - und es ist keine Gute. Nebenbei arbeitet sie ihre eigene schwierige Kindheit auf.

Wer dieses Buch gelesen hat wird entweder depressiv oder will weder Kinder noch in einem Dorf leben.



Hinzu kommt die ermüdende Erzählform, denn der Text ist aus ihrer Sicht an ihren Partner gerichtet.



In einer Beziehung erlebt man im besten Fall Geborgenheit, einen Partner mit dem die eigenen Wünsche in Erfüllung gehen, dem man grenzenlos Vertrauen schenken kann, viel Freude miteinander teilt und das Leben genießen kann.

Was tut man aber, wenn die erste Verliebtheit abflaut oder gar die ersten Jahre ins Land gegangen sind und man selbst merkt, dass die Vorstellung über die Zukunft des Partners nicht die eigenen sind?

Wie weit darf die Zuneigung aus Verbundenheit den eigenen Wünschen und Lebensvorstellungen im Widerspruch stehen? Und was tun wenn man in ein Leben hingeratene ist, was man so gar nicht wollte?



Dies ist das Grundgedankenspiel des Romans von Tanja Raich.

Aus der Ich-Perspektive beschreibt sie die rationalen wie irrationalen Handlungen und Gedanken, die mit diesem inneren Krieg und der Krise der Leidenden zusammenhängt.

Sicher fragte ich mich des Öfteren warum sie den Kerl nicht verlässt und sich neue Perspektiven eröffnet, aber genau das ist ja das Schwere. Der Sprung ins Unbekannte - es gibt viel zu gewinnen, aber eben doch auch viel zu verlieren. Ich finde ihre passive Haltung anstrengend und wenig selbstbestimmt.



Ach, und nicht zu viel Italien erwarten trotz Titel und Auftakt. Kann falsche Erwartungen wecken. Wobei Erwartungen sehr wohl ein zentrales Thema des Romans darstellt.


Fazit: Der Roman trifft den Kern der Misere, es ist nur die Frage, ob man das Ganze mitdurchleben möchte in Buchform.

Rezension von Brigitte Thaler

Jesolo

 

Andi und Georg machen Urlaub am überfüllten Strand in Jesolo, streiten sich über Kleinigkeiten, wie viele andere Paare auch. Danach folgt eine vorübergehende Trennung, bis Andi merkt, dass sie schwanger ist. Nun nimmt alles seinen Lauf, zB der Umbau der Wohnung bei Georgs Eltern - etwas, was Andi nie wollte - auch Kinder nicht. Ein bemerkenswert ehrliches Buch, indem viele Phrasen und widersprüchliche Aussagen zu Schwangerschaft und Geburt auf Andi niederprasseln - vom größten Glück bis zur unwiederbringlichen Lebensänderung. Schonungslos und in der Wirklichkeit verhaftet werden die Zweifel der Protagonistin in einer direkten Sprache unmittelbar geschildert. Dieses Buch ist viel mehr als "nur" Urlaubslektüre!

Rezension von Ana

Jesolo

 

„Nichts ist so schnell wieder gut zwischen uns.“

Ein Satz, den wir schon alle mal gefühlt haben und der sich einbrennen kann. Wie geht's aber weiter, wenn wir uns beruhigen? Wird wirklich zwischen zweien nichts mehr gut? Warte, eigentlich ist ja alles perfekt. Andi sollte dankbar sein und sich weniger in ihren Träumen und Wünschen verlieren. Oder?

Tanja Raich hat ihrer Protagonistin Andrea mit kurzen und knappen Zeilen Gedanken gegeben bzw. sie durch ein Delirium geschickt, in dem wir uns alle nur zu gut wiederfinden können.
Andrea ist seit einer Ewigkeit mit ihrem Freund Georg zusammen. Jedes Jahr nur auf Jesolo Urlaub machen erstickt sie schon langsam. Oder ist es die gesamte Beziehung zu Georg, nicht nur der Urlaub? Oder ist es doch die Stadt, in der sie wohnt? Sie wollte nämlich schon immer in die Großstadt und jetzt wird sie älter und könnte nicht weniger an eine eigene Familie oder das Zusammenziehen denken. Sie fragt sich wie das passiert ist. Was macht sie falsch? Es kann ja nicht alles falsch sein. Irgendwas fehlt. Irgendwas muss sich ändern.
Dann wird sie ungeplant schwanger und ist bereit, mit ihm ins Elternhaus einzuziehen. Jetzt ist nichts wie vorher und sie lebt einfach die Entscheidungen ihrer Mitmenschen mit.

In diesem Roman begleiten wir Andi nicht nur durch 10 Monate ihres Lebens, sondern werden erinnert, wie schnell sich alles um 180 Grad drehen kann. Durch die einem inneren Monolog ähnliche Erzählform wirkt es fast als würden wir das Tagebuch einer anderen Person lesen, die sich ständig verliert und wieder zu fangen versucht.

„Was ist es, das mich so wütend macht. Ich könnte deinem Vater ins Gesicht schlagen. Deiner Mutter. Und dir, dir ganz besonders.“

Man wird nach dem Buch mit der Frage konfrontiert: Wann treffen wir eigene Entscheidungen, wann gehen wir einfach nur Kompromisse ein? Und vor allem: War's das wert so oft nachgegeben zu haben? Ein flüssig zu lesender Roman über den man noch länger nachdenkt.

Rezension von gaby2707

Eine interessante Geschichte mit viel Gefühl.

 

Eine interessante Geschichte mit viel Gefühl.

Andrea und Georg, seit über 10 Jahren zusammen, machen wie jedes Jahr Urlaub in Jesolo, Italien. Georg will, dass Andrea endlich zu ihm zieht, sie heiraten und Kinder bekommen. Andrea will aber weder Familie, noch ein Haus und schon gar keinen Kredit. Das alles passt nicht in ihre Lebensplanung. Aber dann ist sie schwanger…


Der Coverumschlag ist bei diesem Buch der absolute Hingucker. Was auf den ersten Blick nur bunt aussieht, entpuppt sich beim näheren Betrachten als viele kleine verschwommene Bildchen.

Die Geschichte selbst erzählt Andrea aus ihrer Sicht. Daher tauche ich tief in ihre Gedankenwelt ein, kann sie oftmals verstehen und ihre Gründe, die sie zu den verschiedensten Themen anbringt, nachvollziehen. Auch ihre Gefühle bringt mir die Autorin so nahe, dass ich richtig mitfühlen und Andreas Zweifel und Ängste nachvollziehen, aber nicht verstehen kann. Andrea ist so ganz anders als ihre wenigen Freundinnen und auch ich.

Auf den ersten Seiten des Buches habe ich mich beim Lesen sehr schwer getan. Der Schreibstil ist so anders, so kurz und knapp – dran musste ich mich erst gewöhnen. Aber nach kurzer Einlesezeit war ich mittendrin in einer Geschichte, die mich mitgenommen, berührt und etwas nachdenklich hinterlassen hat.

Familie und Mutterschaft – mal aus einer ganz anderen Sicht.