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Infame Menschen
Marcus Krause

Infame Menschen

Zur Epistemologie literarischer Fallgeschichten 1774−1816

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Produktdetails

Verlag
Kulturverlag Kadmos Berlin
Erschienen
2017
Sprache
Deutsch
Seiten
282
Infos
282 Seiten
23 cm x 15 cm
ISBN
978-3-86599-346-5

Hauptbeschreibung

Die Fallgeschichte ist in der Moderne eines der grundlegenden Narrative und Erkenntnisinstrumente nicht nur der wissenschaftlichen, sondern auch der populärkulturellen Beschreibung des Menschen, welche die Charakterisierung eines Individuums und seiner konkreten Lebensumstände mit grundsätzlichen anthropologischen Einsichten zu verbinden sucht. Großen Anteil an dieser Erfolgsgeschichte des Falls hat eine um 1800 sich vollziehende fundamentale Umstellung der Epistemologie der Fallgeschichte, welche den Fall ausgehend von der Konstruktion eines Subjekts zu denken beginnt, das gerade aufgrund seiner Einzigartigkeit für andere Individuen repräsentativ sein soll. Die Untersuchung geht dieser Verschiebung nach, indem sie anhand von Johann Wolfgang von Goethes »Leiden des jungen Werthers«, Friedrich Schillers »Verbrecher aus verlorener Ehre«, Karl Philipp Moritz‘ »Aus K…s Papieren« und E.T.A. Hoffmanns »Der Sandmann« vier zentrale Formationen des modernen Falldenkens analysiert und in diesen Analysen insbesondere solchen Interaktionen zwischen literarischen und psychologischen Beschreibungsmustern nachspürt, welche bis heute das Verständnis und die Regierung des Menschen prägen.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 7
2. Das Paradigma Werther 31
2.1 Dichtung und Wahrheit 31
2.2 Schreiben als Lebens-Form 40
Poetik der Leerstelle: Subjektivität und skripturale Performativität 44
Werther als Lebens-Form 57 Der empfindsame Körper 63
2.3 Die Leiden des jungen Werther als literarische Fallgeschichte 78
Fallbeschreibungen I: Werther 79
Fallbeschreibungen II: Werthers Geschichten 87
Fallbeschreibungen III: Werthers Herausgeber 96
Von den Paradigmen im Werther zum Werther als Paradigma 105
Fallbeschreibungen IV: Werthers Epigonen 106
3. Rahmungen der Anthropologie: Schiller und der Fall Wolf 135
3.1 Psychologie des Verbrechens und Ästhetik der Psychologie 140
3.2 Schillers Poetologie des Falls 149
3.3 Der Fall des Subjekts 159
Abel vs. Schiller:
Von der kasuistischen Providenz zum autonomen Fall 159
Die narrative Disziplinierung des verbrecherischen Subjekts 172
4. Dokumentationen der Psychologie: Moritz und der Fall K… 191
4.1 Paradoxien der Selbstbeobachtung 191
4.2 Pathologien der Fremdbeobachtung 198
4.3 Zur unendlichen Supplementierung des Falls K 207
5. Pathologien der Reflexion: Hoffmann und der Fall Nathanael 220
5.1 Die Imagination des psychologischen Subjekts 226
5.2 Die Psychologisierung der Imagination 234
5.3 Eine transzendentale Ästhetik der Fallgeschichte 242
Einen Fall erzählen: Nathanael als Dichter 242
Einen Fall beobachten: Die Krise der Perspektiven und
die Perspektive der Krisen 248
Einen Fall erfinden: Die Urszene 256
6. Ausblick 260
Literaturverzeichnis 266

Text der Buchrückseite

Die Chronik eines Menschen, die Erzählung seines Lebens, die Geschichtsschreibung seiner Existenz gehörten zu den Ritualen seiner Macht. Die Disziplinarprozeduren nun kehren dieses Verhältnis um, sie setzen die Schwelle der beschreibbaren Individualität herab und machen aus der Beschreibung ein Mittel der Kontrolle und eine Methode der Beherrschung. Es geht nicht mehr um ein Monument für ein künftiges Gedächtnis, sondern um ein Dokument für eine fallweise Auswertung. (Michel Foucault: Überwachen und Strafen)