0 0,00*

Produktdetails

Verlag
Suhrkamp Verlag
Erschienen
2017
Sprache
Deutsch
Seiten
374
Infos
374 Seiten
ISBN
978-3-518-74028-6

Kurztext / Annotation

12.46 Uhr: Die dreizehnjährige Claire Bingley steht alleine an einer Bushaltestelle.
12.47 Uhr: Ted Conkaffey hält mit seinem Wagen neben ihr.
12.52 Uhr: Das Mädchen ist verschwunden ...

Sechs Minuten - mehr braucht es nicht, um das Leben von Detective Ted Conkaffey vollständig zu ruinieren. Die Anklage gegen ihn wird zwar aus Mangel an Beweisen fallengelassen, doch alle Welt glaubt zu wissen, dass einzig und allein er es gewesen ist, der Claire entführt hat. Um der gesellschaftlichen Ächtung zu entgehen, zieht sich der Ex-Cop nach Crimson Lake, einer Kleinstadt im Norden Australiens, zurück.
Dort trifft er Amanda Pharrell, die ganz genau weiß, was es heißt, Staatsfeind Nr. 1 zu sein. Vor Jahren musste sie wegen angeblichen Mordes ins Gefängnis. Nun tun sich die beiden Außenseiter zusammen und arbeiten als Privatdetektive. Ihr Fall: Ein berühmter Schriftsteller mit Doppelleben und kaputter Familie ist verschwunden, die örtliche Polizei behindert die Arbeit der beiden mit harschen Methoden. Dann platzt das Inkognito von Conkaffey, die Medien erzeugen Hysterie. Lynchstimmung macht sich breit. Während er den Fall seiner neuen Partnerin wieder aufrollt und sie versucht, ihn zu entlasten, nimmt der Fall des Schriftstellers überraschende Wendungen ...



Candice Fox stammt aus einer eher exzentrischen Familie, die sie zu manchen ihrer literarischen Figuren inspirierte. Nach einer nicht so braven Jugend und einem kurzen Zwischenspiel bei der Royal Australian Navy widmet sie sich jetzt der Literatur, mit akademischen Weihen und sehr unakademischen Romanen. Für den ersten und zweiten Teil ihrer Trilogie, Hades und Eden, wurde sie 2014 und 2015 mit dem Ned Kelly Award ausgezeichnet.

Textauszug

4

Wenn die Träume kommen, gibt es kein Entrinnen.

Morris und Davo umkreisen mich im beengten Verhörzimmer wie die Haie. Frankie steht im Türrahmen, den Blick auf die Fingernägel gerichtet, als gäbe es dort etwas Spannendes zu entdecken. Krampfhaft bemüht, mir nicht ins Gesicht schauen.

Meine Kollegen. Meine Freunde. Mit diesen Leuten habe ich im Garten vor meinem fettsatten Grill Bier getrunken. Gemeinsam haben wir Türen eingetreten. Sind durch Kneipen gezogen. Als Streifenpolizisten haben wir Protestkundgebungen bewacht. Frankie und meine Frau Kelly trafen sich gelegentlich zum Kaffee, standen in regelmäßigem SMS-Kontakt. Aber jetzt zogen diese Menschen einen langsamen Schlussstrich unter unser gemeinsames Leben. Ich saß auf dem Stuhl, auf der falschen Seite des Verhörtisches. Sie waren unruhig. Fühlten sich offensichtlich unwohl mit der Situation. Erschraken vor den eigenen Worten.

»Sagt mir doch endlich, was los ist«, flehte ich sie an.

»Sonntagnachmittag«, sagte Morris. »Mount Annan. Der Highway, kurz nach der Reifenwerkstatt. Um ungefähr Viertel vor eins bist du mit deinem Corolla da vorbeigefahren, richtig?«

»Ja. Hab ich doch schon gesagt.«

Mein Magen war schwer wie ein Felsklumpen. Seit drei Stunden saß ich nun schon hier, vielleicht auch länger, und beantwortete dieselben Fragen, wieder und immer wieder. Was hatte ich am Morgen des 12. April gemacht? Was hatten Kelly und ich zueinander gesagt? Worüber hatten wir uns gestritten? Wie lange? In welche Richtung war ich gefahren, als ich das Haus verließ? Was hatte ich auf dem Weg gesehen?

Es gab keine Uhr, doch ich spürte die Minuten vorüberkriechen. Zwei Minuten hatte Burke an meinem Schreibtisch gestanden, als er mir ausrichtete, der Chef wolle mich sehen. Zehn Minuten hatte ich allein im Vorzimmer gewartet, bis der Chef mich schweigend ins Verhörzimmer brachte. Eine Dreiviertelstunde hatte ich dort gesessen, und mich seufzend gefragt, wie lange dieser Scherz wohl noch dauern würde. Das Ganze ging mir langsam auf die Nerven. Eine Stunde erschien mir allerdings recht lang für einen Scherz. Der Tag stimmte zwar nicht, aber mein Vierzigster stand bald an. Vielleicht war jemand Wichtiges an meinem Geburtstag verhindert, und man hatte die Party einfach vorgezogen. Nein, das war's nicht. Wollte man mich etwa befördern? Ich saß allen Ernstes im Verhörzimmer und stellte mir vor, wie die anderen den Aufenthaltsraum mit Girlanden dekorierten und das Eis aus dem Gefrierschrank holten. Wie falsch ich gelegen hatte, wurde mir erst klar, als Frankie und Morris und Davo reinkamen, die Mienen todernst. So grimmig schauten sie auch drein, wenn sie Todesnachrichten überbringen mussten.

»Kann mir vielleicht jemand sagen, was hier los ist?«, fragte ich erneut. »Ich verstehe nicht, warum ich hier bin.«

»Warst du an dem Tag mit dem Auto unterwegs, ja oder nein?«

»Ja, war ich! Wie oft denn noch?«

»Du hast es niemandem geliehen?« Little Frankie, die sich erst vor ein paar Wochen abgewöhnt hatte, heimlich hinter den Spinden zu weinen, wenn ihr die Verbrecher bei Verhören mal wieder zugesetzt hatten. Little Frankie, die lauter blaue Flecken hatte von ihrem übergroßen Polizeigürtel und dem riesigen Taser, der wie eine Wasserpistole an ihrem Oberschenkel baumelte. »Überleg dir die Antwort gut, Ted.«

»Nein«, sagte ich. »Sonntagnachmittag bin ich zum Angeln gefahren. Allein. Ich hatte mich mit Kelly gestritten und wollte keine Gesellschaft. Das Auto habe ich niemandem geliehen. Ich selbst bin damit gefahren und auf dem Weg auch durch Mount Annan gekommen. Mehr gibt's nicht zu sagen. Ich habe nichts verbrochen. Keine Ahnung, wann ich auf dem Highway war, vielleicht tatsächlich um Viertel vor eins, vielleicht um eins. Ich weiß es nicht! Es war Sonntag, deshalb habe ich nicht auf die Uhr geschaut. Wenn

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Über den AutorIn

Thomas Wörtche, geb. 1954, Studium der Philosophie und Germanistik, in Konstanz promoviert, beschäftigt sich seit einem Vierteljahrhundert mit Kriminalliteratur.
Er tut dies nach dem Motto: Wer nur von Kriminalliteratur etwas versteht, versteht auch von Kriminalliteratur nichts, schreibt also auch über Comics, Musik etc.
Seine Kolumnen Leichenberg und Wörtches Crime Watch sind die dienstältesten deutschen Krimi-Kolumnen. Er hat sich für den WDR und SWR um Krimihörspiele gekümmert, hat Krimis zum festen Bestandteil der Erlanger Poetentage gemacht und im Berliner Brecht-Haus drei Jahre lang in der Reihe Cream of Crime jeden Monat einen Weltstar des Genres präsentiert.
In zahlreichen Artikeln (vom Merkur bis zum Playboy) hat er über Krimis nachgedacht, ungezählte Rezensionen und Porträts für fast alle großen deutschsprachigen Blätter verfasst. Er beriet die Semana Negra in Gijón programmatisch und vertrat die gute Sache der Kriminal-Literatur in Lehraufträgen an Universitäten zwischen Erlangen, Bamberg und Oviedo sowie bei Vorträgen in USA und Kanada.
Bis 2007 hat Wörtche mit der Global-Crime-Reihe »metro« (Unionsverlag) die deutschsprachige Krimiverlagslandschaft erheblich verändert mit großem Erfolg bei Publikum und Kritik