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Produktdetails

Verlag
Anaconda Verlag
Erschienen
2014
Sprache
Deutsch
Seiten
192
Infos
192 Seiten
ISBN
978-3-7306-9068-0

Kurztext / Annotation

Mit seiner unerhört wirkungsmächtigen Studie 'Psychologie der Massen' (1895) legte der französische Soziologe Gustave Le Bon (1841-1931) den Grundstein für die wissenschaftliche Disziplin der Massenpsychologie. Seine scharfsinnigen Analysen hatten erheblichen Einfluss auf die Arbeiten der großen Denker seiner Zeit, darunter Max Weber und Sigmund Freud. Als Erster attestierte Le Bon der Masse eine eigene Form von Moralempfinden, die die intellektuellen und sittlichen Eigenschaften des Einzelnen in den Hintergrund drängt und die Gemeinschaft für die Botschaften von Demagogen empfänglich macht.

Gustave Le Bon (1841-1931) hatte als einer der Begründer der »Massenpsychologie« maßgeblichen Einfluss auf die Wissenschaft und Politik seiner Zeit. Der französische Mediziner, Psychologe, Anthropologe, Soziologe und Erfinder wies 1895 mit seinem scharfsinnigen Buch »Psychologie der Massen« anderen Psychologen wie Sigmund Freud und Max Weber den Weg.

Textauszug

EINLEITUNG
Die Ära der Massen

Die großen Erschütterungen, welche, wie der Fall des Römischen Reiches und die Begründung der arabischen Herrschaft, den Kulturveränderungen vorangehen, scheinen auf den ersten Anblick besonders durch bedeutsame politische Veränderungen bestimmt zu sein: durch Völkerinvasionen oder durch Sturz von Dynastien. Eine genauere Untersuchung dieser Ereignisse zeigt aber, dass sich zumeist hinter deren scheinbaren Ursachen als wirkliche Ursache eine tiefgehende Modifikation in den Ideen der Völker findet. Nicht jene, die uns durch ihre Größe und Heftigkeit verwundern, sind die wahren historischen Erschütterungen. Die einzigen Veränderungen von Bedeutung jene, aus welchen die Erneuerung der Kulturen entspringt vollziehen sich auf dem Gebiete der Ideen, der Gedanken und Überzeugungen. Die bemerkenswerten Ereignisse der Geschichte sind die sichtbaren Wirkungen der unsichtbaren Veränderungen des menschlichen Denkens. Wenn diese großen Ereignisse so selten stattfinden, so hat das seinen Grund darin, dass es nichts Stabileres in einer Rasse gibt, als das Erbgut ihrer Gedanken.

Das gegenwärtige Zeitalter bedeutet einen jener kritischen Momente, in denen das menschliche Denken im Begriffe ist, sich umzubilden.

Dieser Umwandlung liegen zwei Hauptfaktoren zugrunde. Erstens die Zerstörung der religiösen, politischen und sozialen Überzeugungen, aus denen alle Elemente unserer Zivilisation entspringen. Zweitens die Schaffung völlig neuer Existenz- und Denkbedingungen infolge der neuen Entdeckungen der Wissenschaft und der Industrie.

Da die Ideen der Vergangenheit, obwohl halb zerstört, noch sehr mächtig und die Ideen, die sie ersetzen sollen, erst in der Bildung begriffen sind, so stellt die moderne Zeit eine Periode des Überganges und der Anarchie dar.

Was aus dieser notwendig etwas chaotischen Periode einmal entspringen wird, ist nicht leicht zu sagen. Auf welchen Grundideen werden sich die künftigen Gesellschaften aufbauen? Wir wissen es noch nicht. Schon jetzt aber sehen wir, dass sie bei ihrer Organisation mit einer neuen Macht, der jüngsten Herrscherin der Gegenwart, zu rechnen haben werden: mit der Macht der Massen. Auf den Ruinen so vieler einst für wahr gehaltener und jetzt toter Ideen, so vieler Mächte, die durch Revolutionen nach und nach gebrochen worden sind, hat diese Macht allein sich erhoben und scheint bald die anderen absorbieren zu wollen. Während alle unsere alten Anschauungen schwanken und verschwinden und die alten Gesellschaftsstützen eine nach der anderen einstürzen, ist die Macht der Massen die einzige Kraft, die durch nichts bedroht wird und deren Ansehen nur wächst. Das Zeitalter, in das wir eintreten, wird in Wahrheit die Ära der Massen sein.

Vor kaum einem Säkulum bestanden die Hauptfaktoren der Ereignisse in der traditionellen Politik der Staaten und in den Rivalitäten der Fürsten. Die Meinung der Massen zählte wenig oder meist gar nicht. Heute zählen die politischen Traditionen, die individuellen Tendenzen der Herrscher und deren Rivalitäten nichts mehr, während im Gegenteil die Volksstimme das Übergewicht erlangt hat. Sie diktiert den Königen ihr Verhalten, und sie ist es, was diese zu vernehmen streben. Nicht mehr in den Fürstenberatungen, sondern in den Seelen der Massen bereiten sich die Völkerschicksale vor.

Der Eintritt der Volksklassen in das politische Leben, d. h. in Wahrheit ihre progressive Umwandlung zu leitenden Klassen, ist eines der hervorstechendsten Kennzeichen der Übergangszeit. Dieser Eintritt wurde nicht durch das allgemeine Stimmrecht,

Beschreibung für Leser

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