0 0,00*

Produktdetails

Verlag
Andhof
Erschienen
2016
Sprache
Deutsch
Seiten
1712
Infos
1712 Seiten
ISBN
978-3-7364-0539-4

Kurztext / Annotation

Krieg und Frieden, historischer Roman des russischen Schriftstellers Leo Tolstoi, gilt als eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur. Der zur Gattung des literarischen Naturalismus gehörende Roman wurde mehrfach verfilmt.

Textauszug

9

Es war ein Uhr vorüber, als Peter seinen Freund verließ. Es war eine Juninacht, eine jener Petersburger Nächte fast ohne Dämmerung. Er stieg in eine Droschke, mit der Absicht, nach Hause zu fahren, aber während der Fahrt erschien es ihm immer unmöglicher, während einer solchen Nacht zu schlafen. Sein Blick schweifte durch die öde Straße. Dann dachte er daran, daß die gewöhnliche Spielgesellschaft sich jetzt bei Anatol Kuragin versammelte. Nach dem Spiel begann das Trinkgelage und das Ganze endigte mit einem Lieblingsvergnügen Peters.

»Soll ich nicht hingehen?« fragte er sich und dachte daran, daß er dem Fürsten Andree sein Wort gegeben hatte.

Aber wie es bei charakterlosen Leuten gewöhnlich ist, erfaßte ihn eine so unüberwindliche Lust, noch einmal dieses leichtsinnige Leben zu genießen, daß er beschloß, zu Anatol zu gehen. Er sagte sich, sein Versprechen habe keinen Wert, weil er Anatol versprochen hatte, zu kommen, ehe er dem Fürsten sein Wort gegeben hatte. Durch seine Wankelmütigkeit wurden oft seine dem Anscheine nach festen Entschlüsse umgestoßen. Peter gab wieder nach und ging zu Kuragin. Vor einem großen Hause neben der Kaserne der Chevaliergarde ließ er anhalten und stieg die erleuchtete Treppe hinauf. In dem leeren Vorzimmer herrschte Weingeruch... leere Flaschen, Mäntel und Galoschen lagen umher und in der Ferne hörte man ein Stimmengewirr und Rufen. Nachdem Peter den Mantel abgenommen hatte, trat er in das Zimmer ein, wo die Reste des Abendessens umherstanden, und ein Diener, der Straflosigkeit sicher, heimlich die halbvollen Gläser leerte. Weiterhin im dritten Zimmer hörte man unter allgemeinem Gelächter und Lärm das Brummen eines Bären. An einem offenen Fenster standen acht junge Leute, drei von ihnen spielten mit einem jungen Bären, welchen einer von ihnen an einer Kette hielt und auf seine Genossen hetzte.

»Ich wette auf Stevens«, rief der eine.

»Aber nicht helfen«, sagte ein zweiter.

»Ich wette auf Dolochow!« schrie eine dritte Stimme. »Kuragin, trinken Sie!«

»Nun, laßt Mischka beiseite, es handelt sich um eine Wette.«

»Aber mit einem Wurf, sonst hat er verloren«, rief eine fünfte Stimme.

»Heda, die Flasche!« brüllte der Herr des Hauses, ein großer, schöner, junger Mann in der Mitte der Gruppe, ohne Rock und mit vorn offenem Hemd.

»Stille, meine Herren, da ist Petruschka«, wandte er sich an Peter.

Ein hochgewachsener junger Mann mit hellblauen Augen, dessen ruhige, nüchterne Stimme in seltsamem Kontrast zu den anderen stand, rief ihn ans Fenster.

»Komm her, ich will dir die Wette erklären.«

Das war Dolochow, ein Offizier vom Semenowschen Regiment, ein bekannter Raufbold und Spieler, der bei Anatol wohnte. Peter lächelte und blickte vergnügt um sich.

»Um was handelt es sich?«

»Einen Augenblick, er ist noch nüchtern! Schnell eine Flasche her!« rief Anatol. Dann nahm er ein Glas vom Tische und näherte sich ihm.

»Vor allem mußt du trinken.«

Peter trank Glas auf Glas, doch dies hinderte ihn nicht daran, der Unterhaltung zu folgen und alle Gäste zu beobachten, welche sich wieder beim Fenster versammelt hatten. Anatol goß ihm Wein ein und erklärte ihm die Wette Dolochows mit dem Engländer Stevens, einem Seemann. Der erstere hatte sich verpflichtet, eine Flasche Rum auszutrinken, auf einem Fenster der dritten Etage sitzend, die Beine zum Fenster hinaushängend. »Da trink«, wiederholte Anatol, indem er Peter das letzte Glas anbot, »ich lasse dich nicht früher los.«

»Nein, ich will nicht mehr«, sagte Peter. Dolochow hielt den Engländer am Arm und wiederholte ihm nochmals deutlich die Bedingungen der Wette. Dolochow war von mittlerer Größe und etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Er hatte blaue Augen und trug, wie alle Infanterieoffiziere, keinen Schnurrbart. Die Linien seines Mundes waren merkwürdig fein, die Oberlippe trat etwas über die Unterlippe hervor, in beiden Mundwinkeln spielte

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet