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Produktdetails

Verlag
Pantheon Verlag
Erschienen
2017
Sprache
Deutsch
Seiten
848
Infos
848 Seiten
ISBN
978-3-641-21693-1

Kurztext / Annotation

Die erste große Napoleon-Biographie eines deutschen Autors seit hundert Jahren.
Johannes Willms erzählt die faszinierende Lebensgeschichte Napoleons (1769-1821) - eines Mannes, der von ganz unten kam und zum Herrscher über den europäischen Kontinent aufstieg. Karriere, Größenwahn und Niedergang des Korsen beschreibt der bekannte Historiker und Journalist mit souveräner Quellenkenntnis und einer Fülle von Anekdoten. Sein Buch schildert jedoch nicht nur ein atemberaubendes Leben, sondern entfaltet zugleich das Panorama eines turbulenten Zeitalters, dem Napoleon seinen Namen gab.


Johannes Willms ist Historiker und Kulturkorrespondent der 'Süddeutschen Zeitung' in Paris. Er hat viel beachtete Werke zur deutschen und französischen Geschichte vorgelegt, darunter 'Nationalismus ohne Nation. Deutsche Geschichte 1789-1914' und 'Paris. Hauptstadt Europas 1800-1914'.

Textauszug

ZWEITES KAPITEL
DER OPPORTUNIST

Als Napoleon nach der Flucht aus Korsika am 13. Juni 1793 mit den Seinen im Hafen von Toulon anlangte, hing ihm der Clan wie ein Mühlstein um den Hals. Zuvor war die Rolle des Ernährers und Clan-Chefs ein Anspruch gewesen, der seine korsischen Ambitionen zusätzlich angestachelt hatte. Jetzt wurde dieser Anspruch zu einer Notwendigkeit, der er genügen musste: In gewisser Weise war er zum Gefangenen seines Clans geworden. Das Wohl und Wehe der Familie beeinflusste sein künftiges Handeln allein schon deshalb, weil sein Ehrgeiz sie um eine zwar bescheidene, aber auskömmliche Existenz gebracht hatte. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Mutter, eine noch junge und attraktive Witwe, eine zweite Ehe eingegangen wäre. Ganz gewiss aber hätte sich der phlegmatische Joseph ohne Napoleons Beispiel, seine Ratschläge und Ermahnungen, nicht in die Politik verirrt, sondern als kleiner Advokat in einem korsischen Städtchen korsische Prozesse geführt; ohne die verführerische Macht, die Napoleons Reden und Tun ausstrahlte, hätte der talentierte Lucien nie das Beispiel vor Augen gehabt, dem er mit einer Hingabe nacheiferte, die ihm irgendwann keine andere Wahl mehr ließ, als mit dem Bruder zu brechen, ehe dieser seine Persönlichkeit zerstörte.

So befand sich Napoleon bei der Ankunft in Toulon in einer prekären Lage. Ein Schwächerer wäre daran leicht verzweifelt oder weiter geflüchtet, um wenigstens die Illusion eines eigenen Lebens zu retten. Lucien sollte sich später daran erinnern, dass Napoleon im Winter 1792/93 häufig davon sprach, in englische Dienste zu treten und nach Indien zu gehen,1 aber das waren nur Täumereien. Seine Zukunft hieß jetzt Frankreich, und der große Umbruch der Revolution war seine Chance. Es war eine Ironie des Schicksals, dass sein korsischer Traum in dem Moment zusammenbrach, als sich die Revolution mit der grande terreur im Juli 1793 radikalisierte. Die jakobinische Schreckensherrschaft des Konvents und die Diktatur des von Robespierre beherrschten Wohlfahrtsausschusses begannen und mit ihr die brutale Eliminierung der alten Eliten.2 Das machte die Bahn frei für eine Fülle neuer Talente, die mit skrupellosem Opportunismus die Gelegenheit, die sich ihnen bot, erkannten und entschlossen zupackten. Napoleon hatte alles verloren, seine Illusionen, seine Heimat und sein Erbe; nun war er dazu verdammt, zu gewinnen oder unterzugehen.

Zunächst ließ sich alles wenig vielversprechend an. Nachdem er die Familie in einer ärmlichen Behausung in La Valette, einem Vorort von Toulon, untergebracht hatte, machte sich Napoleon auf den Weg nach Nizza, wo das 4. Artillerieregiment, das jetzt zur Armée d'Italie gehörte, stationiert war. Nach zweiundzwanzig Monaten Abwesenheit hatte man ihn dort zwar längst abgeschrieben, aber der unvermindert große Mangel an Offizieren erzwang seine Reaktivierung. Damit nicht genug, erhielt er sogleich das Patent eines capitaine commandant und wurde zum Chef einer Mörserkompanie bestellt. Außerdem machte ihn General Jean du Teil, Kommandant der Küstenbatterien, zu seiner Ordonnanz. Das alles klingt besser, als es war, denn der Süden Frankreichs stand im Sommer 1793 in hellem Aufruhr. Die Entmachtung der gemäßigten Girondisten durch die radikalen Jakobiner stürzte das ganze Rhönetal in Unruhen. Aus Lyon waren die Jakobiner vertrieben worden, und die Stadt trotzte dem Konvent. Marseille folgte bald diesem Beispiel, dem sich auch Toulon anschloss. Für einen ehrgeizigen Artilleriehauptmann waren das keine sonderlich einladenden Auspizien, denn die Italienarmee würde auf absehbare Zeit keine andere Aufgabe haben, als in diesem Bürgerkrieg für den Konvent und gegen die Insurgenten zu kämpfen. Wie schwierig und wenig Ansehen verheißend ein solches Unterfangen war, wusste Napoleon aus eigener Erfahrung nur zu gu

Beschreibung für Leser

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