0 0,00*
Das letzte EinhornOverlay E-Book Reader
Alexander Osang

Das letzte Einhorn

Menschen eines Jahrzehnts

EPUB sofort downloaden
Downloads sind nur in Italien möglich!


Produktdetails

Verlag
Ch. Links Verlag
Erschienen
2022
Sprache
Deutsch
Seiten
336
Infos
336 Seiten
ISBN
978-3-86284-516-3

Kurztext / Annotation

Wie schreibt man über Menschen, um ihnen als Reporter gerecht zu werden?

Alexander Osangs Reportagen der Jahre 2010 bis 2020 sind Befragung und Selbstbefragung - und entwerfen wie nebenbei das Porträt eines ganzen Jahrzehnts.
Am Beginn steht die Finanzkrise, am Ende die Corona-Pandemie, dazwischen Afghanistan, Fukushima, Terrorismus, die Flüchtlingskrise 2015 und der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien. Alexander Osang erzählt von Menschen und Orten, in deren Geschichten die großen Zeitläufe eingeschrieben sind. Ob Politiker, Sportler, Menschen aus der Finanz- und Medienbranche, Unbekannte, die plötzlich im Licht der Öffentlichkeit stehen - seine Texte treffen immer ins Schwarze, und doch vermeiden sie das Fertige, Unumstößliche, um Objektivität Bemühte. Auf diese Weise gelingt ihm beides: berührende menschliche Porträts und eine Erzählung gesellschaftlicher Umbrüche, die uns in Zukunft beschäftigen werden.

»Alexander Osang ist der beste Reporter, den wir in Deutschland haben.« Jana Hensel, Die Zeit

»Osang hat es einfach drauf!« Anja Maier, taz



Alexander Osang, geboren 1962 in Berlin, studierte in Leipzig und arbeitete nach der Wende als Chefreporter der Berliner Zeitung. Seit 1999 berichtet er als Reporter für den Spiegel, acht Jahre lang aus New York, und bis 2020 aus Tel Aviv. Für seine Reportagen erhielt er mehrfach den Egon-Erwin-Kisch-Preis und den Theodor-Wolff-Preis. Er lebt heute mit seiner Familie in Berlin.

Sein Roman 'Fast hell' (Aufbau Verlag, 2021), stand mehrere Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste. Sein Erzählungsband »Winterschwimmer« ist als Aufbau Taschenbuch lieferbar. Seit 30 Jahren erscheint sein essayistisches Werk im Ch. Links Verlag. Zuletzt erschien dort »Das letzte Einhorn. Menschen eines Jahrzehnts«.

Textauszug

Freunde bleiben

Ein Vorwort

Als der Sommer zu Ende ging, meldete sich ein Mann aus einem Berliner Vorort beim »Spiegel« und hinterließ eine Telefonnummer für mich. Sein Vater sei in der Nacht gestorben. Der Tote heiße Dieter Resch und habe mich seinerzeit zum »Spiegel« vermittelt. Er wolle mich zur Beerdigung einladen. Ich wartete drei Wochen, bis ich in der Lage war, die Nummer zurückzurufen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich dem Mann hätte begegnen sollen.

Dieter Resch hatte mich keineswegs zum »Spiegel« vermittelt, aber wie sollte ich das seinem trauernden Sohn sagen?

Resch war Chef der Wirtschaftsredaktion der »Berliner Zeitung«, als ich dort im Herbst 1987 anfing. Er rauchte, trank und trug einen Schnurrbart. Ein ehemaliger Bergmann. Seine Freunde nannten ihn Dietus. Er war mein erster Chef im sozialistischen Journalismus und mein letzter war er auch. Er machte mich zum Jugendredakteur der Zeitung, er schickte mich auf die »Messe der Meister von Morgen« nach Leipzig, an die Erdgastrasse in den Ural, zu den Weltfestspielen nach Nordkorea und auch zum letzten Fackelzug der Freien Deutschen Jugend Unter die Linden, im Oktober 1989. Anschließend, immer noch im Herbst, wahrscheinlich sogar noch im selben Monat, schickte er mich auf die Fährte von korrupten Funktionären des untergehenden Staates.

Kurz nach dem Mauerfall wurde er stellvertretender Chefredakteur der Zeitung, mit großer Mehrheit in einer Abstimmung der Redakteure bestätigt, die spürten, dass er die Energie hatte für eine abrupte Wende.

Im November 1989 erschien ein Reporter vom Hamburger »manager magazin« in unserer Redaktion und fragte, ob er einen Schreibtisch bekommen dürfe, von dem aus er die wirtschaftlichen Veränderungen im Osten Deutschlands beobachten könne. In der Redaktion der »Berliner Zeitung« sorgte das für eine der letzten großen Auseinandersetzungen im Kampf der Systeme. Einer der alten Chefredakteure, Fritz, befürchtete, dass wir uns mit dem Kollegen des »manager magazin« die CIA in den Pelz setzen würden. Das waren seine Worte. Die CIA im Pelz.

Dieter Resch hatte diese Ängste nicht mehr, er erklärte dem Westkollegen, dass die »Berliner Zeitung« im Austausch gern jemanden nach Hamburg schicken würde. Mich.

So verbrachte ich die ersten drei Monate des Jahres 1990 in Hamburg. Ich bekam ein Zimmer bei einer Redakteurin, die im Grindelviertel wohnte, ein Praktikantengehalt in D-Mark und besuchte Bilanzpressekonferenzen von British Petroleum und Jacobs Suchard, die mich nicht interessierten. Jeden Morgen brachte mir ein Bürobote die »FAZ« und die »Financial Times«, die ich nicht verstand. Ich knitterte sie so lange durch, bis sie zerlesen aussahen. Als ich den Vorstandsvorsitzenden der Beiersdorf AG interviewte, gab mir ein Kollege vom »manager magazin« ein Jackett und eine Krawatte. Ein »Spiegel«-Redakteur, der mit meiner Gastgeberin befreundet war, führte mich über die Reeperbahn und erklärte, wo man »ehrlichen Sex« kaufen könne, auch eine Sache, die ich nicht verstand. Als ich im April nach Berlin zurückkehrte, hatte ich genug Westerfahrung, um die größte Abteilung der »Berliner Zeitung« zu übernehmen, die Lokalredaktion. Ich war 27 Jahre alt.

Dieter Resch bestellte mich an einem Aprilsonntag 1990 zu sich nach Hause, um mir zu erklären, worauf es ankam, als Lokalchef. Er leerte dabei eine Flasche Weinbrand, vielleicht aus Schmerz, weil der Mann, den ich ablöste, einst sein bester Freund bei der Zeitung gewesen war. In der letzten Stunde waren seine Ausführungen nicht mehr zu verstehen, zum Schluss stand er schwankend und wild gestikulierend auf dem unbefestigten Weg vor seinem Einfamilienhaus in Hohen Neuendorf, während ich in dem Polski Fiat, den mir mein Schwager im letzten Sommer dagelassen hatte, bevor er über Ungarn in den Westen flüchtete, zurück nach Berlin aufbrach.

Ich leitete die Lokalabteilung ein halbes

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet