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Produktdetails

Verlag
Campus Verlag
Erschienen
2008
Sprache
Deutsch
Seiten
187
Infos
187 Seiten
1 s/w Abb.
ISBN
978-3-593-41460-7

Hauptbeschreibung

Der Diskurs ist in aller Munde – aber nicht jeder, der den Begriff benutzt, weiß,wovon er spricht. Achim Landwehr erklärt zunächst die verschiedenen Wurzeln einer historischen Diskursanalyse: von der Begriffsgeschichte Kosellecks über die Arbeiten Hayden Whites bis zu Michel Foucault, der den Begriff des Diskurses entscheidend geprägt hat. Auf dieser Grundlage zeigt Landwehr, welchen Nutzen die analytische Kategorie des Diskurses für die Geschichtswissenschaften hat. Schließlich stellt er dar, wie sich empirisch fundierte historische Diskursanalysen durchführen lassen und welche Arbeitsschritte es dabei zu beachten gilt – von der Themenfindung über die Untersuchung von Kontexten bis zur Analyse von Aussagen und Texten. Für alle, die sich mit dieser einflussreichen Theorie und Methode vertraut machen wollen, ist der Band ein unverzichtbares Standardwerk.

Ausgezeichnet von H-Soz-u-Kult "Das Historische Buch 2009", Kategorie Lehrbuch (5. Platz).

Kurztext / Annotation

Der Diskurs ist in aller Munde – aber nicht jeder, der den Begriff benutzt, weiß,wovon er spricht. Achim Landwehr erklärt zunächst die verschiedenen Wurzeln einer historischen Diskursanalyse: von der Begriffsgeschichte Kosellecks über die Arbeiten Hayden Whites bis zu Michel Foucault, der den Begriff des Diskurses entscheidend geprägt hat. Auf dieser Grundlage zeigt Landwehr, welchen Nutzen die analytische Kategorie des Diskurses für die Geschichtswissenschaften hat. Schließlich stellt er dar, wie sich empirisch fundierte historische Diskursanalysen durchführen lassen und welche Arbeitsschritte es dabei zu beachten gilt – von der Themenfindung über die Untersuchung von Kontexten bis zur Analyse von Aussagen und Texten. Für alle, die sich mit dieser einflussreichen Theorie und Methode vertraut machen wollen, ist der Band ein unverzichtbares Standardwerk.

Ausgezeichnet von H-Soz-u-Kult "Das Historische Buch 2009", Kategorie Lehrbuch (5. Platz).

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Einleitung

Geschichte - Sprache - Bild
Sprache als Teilaspekt der Geschichte
Sprache als Fundament historischer Wirklichkeiten
Diskurse in Bildern

Diskurstheorien
Diskurs in der Sprach- und Literaturwissenschaft
Jürgen Habermas
Michel Foucault
Pierre Bourdieu
Ernesto Laclau und Chantal Mouffe

Historische Diskursanalyse

Untersuchungsschritte
Themenfindung
Korpusbildung
Kontextanalyse
Analyse der Aussagen
Analyse von Texten
Diskursanalyse

Diskursgeschichten
Wissensformen
Ordnungen
Identitäten
Diskurse und Praktiken
Desiderate der Diskursgeschichte

Diskursgeschichte als Kulturgeschichte
Auswahlbibliographie

Personenregister

Sachregister

Werbliche Überschrift

Historische Einführungen

Textauszug

Was hat es nun mit dem ›Diskurs‹ auf sich? Dass die historische Diskursanalyse immer noch der Schleier des Ungefähren und Ungewissen umgibt, hängt sicherlich nicht zuletzt damit zusammen, dass - zumindest im Deutschen - der Diskursbegriff nicht nur in wissenschaftlichen, sondern darüber hinaus in mehr oder weniger intellektuellen Debatten zu einem wenig reflektierten Passepartout geworden ist. ›Diskurs‹ ist nicht nur ein Begriff mit einem sehr weiten Bedeutungsspektrum, sondern auch einer, der trotz seiner nicht ganz einfachen Handhabung in wissenschaftlichen Abhandlungen eher selten definiert wird (Mills 2004: 1).

Die Schwierigkeit mit dem Diskursbegriff kann eine Auflistung illustrieren, die unterschiedliche Verwendungsweisen von ›Diskurs‹ zusammenstellt und dabei noch nicht einmal Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann (vgl. Maingueneau 1991: 14-17; Mills 2004: 1-14).

Angesichts solcher Schwierigkeiten stellt sich die Frage, warum ›Diskurs‹ hier trotzdem im Mittelpunkt der Betrachtung stehen soll. Darauf lässt sich nicht nur mit dem Hinweis antworten, dass der Diskursbegriff - trotz allem - zu einer zentralen Kategorie in der kulturwissenschaftlichen Arbeit geworden ist, sondern dass sich auch für das Vorhaben einer historischen Diskursanalyse ein klares Verständnis dieses Begriffs herausschälen lässt. Denn obwohl die allgemeinen Verwendungsweisen von ›Diskurs‹ sehr weit gestreut sind, richtet sich sein (reflektierter) wissenschaftlicher Einsatz immer auf Untersuchungen des Sprach- und Zeichengebrauchs, ob es sich dabei nun um mündliche oder schriftliche Aussagen, konkrete Kommunikationsprozesse, die Analyse größerer Textkorpora oder die Untersuchung bildlicher und akustischer Medien handelt. Dabei ist es üblicherweise das Ziel, formale oder inhaltliche Strukturierungen aufzudecken (Keller u. a. 2001b: 9). Um eine mögliche Verwirrung hinsichtlich des Diskursbegriffs zu vermeiden, erscheint zunächst eine begriffsgeschichtliche Annäherung hilfreich, um vorhandene Bedeutungsvarianten in eine diachrone Ordnung zu bringen.

Helge Schalk hat sich der sicherlich nicht einfachen Aufgabe unterzogen, mit begriffsgeschichtlichen Mitteln den (vor allem philosophischen) Gehalt dessen, was ›Diskurs‹ in verschiedenen Zusammenhängen bedeutet, näher zu beleuchten: "›Diskurs‹ ist heute ein Allerwelts- und Modewort, dessen schillernde Bedeutung eine verbindliche Definition nahezu unmöglich macht. Statt von der Philosophie können wir heute mühelos vom ›philosophischen Diskurs‹ sprechen und beinahe jede wissenschaftliche Abhandlung darf sich heute Diskurs nennen, ohne gegen eine sprachliche Konvention zu verstoßen" (Schalk 1997/98: 56). Ein zusätzliches Problem entsteht dadurch, dass ›Diskurs‹ in der deutschen Sprache kein Alltagswort ist wie discourse im Englischen oder discours im Französischen. Daher drängt sich nicht selten der Eindruck akademischer Profilneurose auf, wenn das Wort ›Diskurs‹ in Zusammenhängen verwendet wird, in denen ›Sprachgebrauch‹, ›Aussage‹, ›Text‹ oder ›Diskussion‹ ebenso gute und wahrscheinlich bessere Dienste leisten würden (Sarasin 1996: 141).

Immerhin, eine gewisse, wenn auch nur schwach aufscheinende Möglichkeit, den Diskursbegriff als Analyseinstrument zu retten, deutet Schalk an: "Zwar mag sich als verbindendes Merkmal vieler philosophischer Konzeptionen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die den Diskursbegriff ins Zentrum der Untersuchung rücken, eine generelle Tendenz zeigen, sprach- und gesellschaftstheoretische Überlegungen miteinander zu verbinden; Sprache als gesprochene Sprache wird im weiteren Umfeld gesellschaftlichkultureller Analysen gesehen. Allerdings bleiben Bedeutungsdifferenzen, die uns - nimmt man nur die Ansätze von Habermas und Foucault - zwingen, die Bedeutung von ›Diskurs‹ stets näher zu präzisieren" (Schalk 1997/98: 56 f.). Wird eine nähere Verdeutlichung dessen geleistet, worüber man spricht, wenn man vom Diskurs spricht, kann sich in spezifischen Wissenschaftsbereichen auch eine jeweils spezifische und inhaltlich klar bestimmbare Verwendung etablieren.

Im Blick zurück mag es in gewisser Weise beruhigend erscheinen, dass bereits im Lateinischen die Verwendung von discursus recht unspezifisch war. Die in begriffshistorischer Perspektive aufzufindenden Belegstellen sind so zahlreich, dass von einem wie auch immer gearteten ›ursprünglichen Kern‹ des Begriffs nicht die Rede sein kann. Die vielfachen Verwendungsweisen gruppieren sich allerdings nicht, wie man vielleicht meinen könnte, um Bedeutungen wie ›Rede‹ oder ›Gespräch‹, sondern finden sich meist im Zusammenhang der Beschreibung von Bewegungen, vor allem dem ›Hin- und Herlaufen‹, dem ›richtungslos Umherirren‹ oder dem ›sich Zerstreuen‹ (Schalk 1997/98: 61). Es bedarf jedoch nicht besonders viel Phantasie, solche Formen der Bewegung auch auf Vorgänge des Denkens und Sprechens zu übertragen. Daher lassen sich, von dieser lateinischen Wurzel ausgehend, vornehmlich drei größere Verwendungszusammenhänge des Diskursbegriffs herauspräparieren.

Zum einen wurde ›Diskurs‹ in der mittelalterlichen Logik und Erkenntnistheorie zu einem philosophischen Fachterminus, der die Verstandestätigkeit bezeichnete und das formale, insbesondere das menschliche Wissen beschrieb (Schalk 1997/98: 64-81). Eine zweite Traditionslinie ist jüngeren Datums und rückt den Diskursbegriff in den Zusammenhang von gesprochener und geschriebener Sprache. Ihre Ursprünge hat diese Verwendung in der italienischen Renaissance. ›Diskurs‹ bezeichnet hier vor allem die mündliche Rede sowie schriftliche Abhandlungen (Schalk 1997/98: 81-92).

Eine dritte Traditionslinie breitete sich schließlich im 20. Jahrhundert aus und verursacht inhaltlich sicherlich die größten Schwierigkeiten, weil sich der Gebrauch von ›Diskurs‹ in zahlreiche Facetten auffächerte. Zentral wird jedoch die Akzentuierung der sozialen Dimension von Sprache, wie sie sich vor allem in den verschiedenen Formen der Diskursanalyse herausbildet.

Über den AutorIn

Achim Landwehr ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Düsseldorf.