0 0,00*

Produktdetails

Verlag
Suhrkamp Verlag
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
378
Infos
378 Seiten
ISBN
978-3-518-76115-1

Kurztext / Annotation

Es ist nicht die erste Reise, die Alexander und Vinz unternehmen, weil ihre Beziehung in eine Krise geraten ist. Der Roadtrip durch Südafrika soll ihnen Klarheit über sie verschaffen, und Vinz, der Schriftsteller, erhofft sich eine Idee für seinen neuen Roman. Vorbei an Straßenmärkten, Chicken Inns und Anhaltern bewegen sie sich durch ein Land, in dem Wohlstand und Armut aufeinanderprallen, Homosexualität als Tabu gilt und in dem sich die beiden Deutschen mit der Gedankenlosigkeit der weißen Touristen konfrontiert sehen. Als sie einen jungen Mann anfahren, zieht sie das immer tiefer in Widersprüche: Einerseits fühlen sie sich dem Fremden verpflichtet und bezahlen ihn, als er sich als Guide anbietet. Andererseits verschärft ihr neuer Begleiter die Spannungen, und vor allem Vinz beschleicht die Sorge um ihre eigene Sicherheit. Als er auf eine Spur für seinen Roman stößt, die nach Simbabwe zu den Victoria-Fällen führt, verlassen alle drei ihre ursprünglich geplanten Wege.
Gunther Geltinger schildert in Benzin so sprachmächtig wie eindringlich, was es heißt, wenn die eigene Welt aus den Fugen gerät. Er buchstabiert die Zerrissenheit seiner Figuren in sechsundzwanzig Kapiteln aus, von A bis Z, und beschwört atmosphärisch dichte Bilder, die sich nach und nach zu einem großen Ganzen fügen - einer Geschichte über Vorurteile und Souveränität, über Vertrauen und Verrat.

Gunther Geltinger wurde 1974 in Erlenbach am Main geboren und lebt heute in Köln. Er studierte Drehbuch und Dramaturgie an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien und an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Sein Debütroman Mensch Engel erschien 2008 bei Schöffling, sein zweiter Roman, Moor, 2013 im Suhrkamp Verlag.

Textauszug

Alarm

Sie fahren abwechselnd. Vinz am Tag, Alexander nachts. Die Dunkelheit kommt früh in diesem Land, im November gegen sieben und von einer Minute auf die andere. Vinz ist nachtblind, die Straße vor seinen Augen wie ausgelöscht. Die Hochebene, die an die Straße stößt. Das Land, das bis zum Anbruch der Dämmerung aus einer schnurgeraden Straße bestand, die diese Hochebene durchschnitt, mit einer Bergkette an ihrem Rand, die weder ferner rückte noch näher kam und seinen Blick entlang einer scheinbaren Grenze führte wie eine Fata Morgana mit ihrem trügerischen Versprechen auf Ankunft, bis die Sonne verschwand und die Horizontlinie sich auflöste. Der dunstige Zackenriss fiel in sich zusammen, Schatten fluteten die Ebene und ließen ihre Farben noch einmal aufleuchten, die Braun- und Gelbtöne des Buschvelds mit dem unwirklichen, fast wahnhaften Grün einzelner Plantagen, bevor alles erlosch. Achtung, sagte Alexander, die Sandverwehung auf der Straße bemerkte Vinz zu spät, halb im Dunkeln wirkte das langgestreckte, vom Wind gerippte Gebilde wie ein verendetes Tier. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Alexander auf dem Beifahrersitz nach vorn kippte, den rechten Fuß abspreizte und auf das imaginäre Bremspedal trat. Vinz warf ihm einen Blick zu und zischte. Dann ließ er den Wagen über das Hindernis rumpeln, den Kadaver aus roter Erde, sein Protest. Er hatte an Manuel gedacht, und er wusste, dass Alexander ihn durchschaute.

Am Straßenrand schwand Meter für Meter das Land. Weideflächen ohne Vieh, herdenartig nur die buckligen Sträucher, die enger aneinanderrückten, je dunkler es wurde. Seine Augen schrappten darüber hinweg, suchten Halt an der Silhouette einer Schirmakazie, unter der sich die Nacht schon ballte, sprangen dann weiter zum Umriss eines vereinzelten Baobab-Baums, der als düsterer Koloss in der Landschaft stand, der gedrungene Stamm mit den fingerförmigen Ästen wie von einem in die Einsamkeit verbannten Riesen, der die Hände in den Himmel reckt. Schön hier, sagte Alexander. Vinz schaltete das Fernlicht an, das die Straße noch mehr verkürzte. Reflexartig zuckte sein Fuß vom Gaspedal weg, doch er widerstand dem Impuls und stemmte sich gegen das Lenkrad und das Gefühl, die Kontrolle über den Wagen zu verlieren. Er heftete den Blick an letzte Konturen, suchte Dornstrauch, Akazienbaum und Baobab nach Anhaltspunkten ab, die ihm etwas über Alexander und ihn sagen könnten, über den Grund, warum sie hier waren in diesem Land, bis er abrupt abbremste, auf das steinige Bankett lenkte und anhielt, damit Alexander übernahm.

Sie und der Wagen. Ein weißer Toyota Corolla von Avis, das kleinste und sparsamste Modell. 90 PS, Vorderradantrieb, Verbrauch 7,3 Liter, schon bei der Übernahme hatte Vinz Bedenken, ob es das richtige Auto sei. In einem Land, in dem nur die wichtigsten Straßen instand gehalten werden, haben sie vielleicht am falschen Ende gespart. Immer sind sie auf ihren Reisen abseits der im Straßenatlas rot verzeichneten Autobahnen gefahren, haben die gelben oder farblosen Nebenstraßen bevorzugt, die sich Gebirge hinaufwinden, Pässe satteln und auf Hochplateaus Schleifen und Kehren bilden, bis ihr Verlauf in eine gestrichelte Linie übergeht und plötzlich endet, wie von Kinderhand gezogen, auf einer naiven Zeichnung, die noch nicht weiß, was sie werden soll. Rot verbindet die Städte und Metropolen, wer rote Straßen fährt, hat wenig Zeit und keinen Blick fürs Detail. Sie haben in Ausdauer investiert, nicht in Schnelligkeit. Rot nur im Ausnahmefall, auf dem Rückweg zum Flughafen oder wenn es große Distanzen zu überwinden gilt. Ihre Straße soll sich den Bedingungen der Landschaft anpassen, sie nicht durchbrechen. Ein grüner Begleitstrich kennzeichnet eine besonders reizvolle Strecke. Sie fahren auf Gelbgrün auf den Abgrund zu, der sich am Ende des Scheinwerferkegels vor ihnen auftut. Immer wieder kontrolliert Vinz die Tachonadel. Alexander bremst, sch

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet