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Produktdetails

Verlag
Penguin Verlag
Erschienen
2021
Sprache
Deutsch
Seiten
592
Infos
592 Seiten
ISBN
978-3-641-26840-4

Kurztext / Annotation

Das faszinierendste Meisterwerk der literarischen Moderne.
Emma Bovary fragt sich Tag für Tag, ob das, was ihr das Leben bietet, schon alles war. Hat sie, eine kluge, begehrenswerte und immer noch attraktive Frau, denn kein Anrecht auf Glück, Sinnlichkeit - auf die Erfüllung weiblicher Leidenschaften? Denn für Erfüllung ist in ihrer Ehe mit einem Landarzt und in ihrem aufopferungsvollen Dasein als Mutter kein Platz. Und so folgt sie der Stimme ihres Herzens, die ihr rät, aufs Ganze zu gehen ...

Mit einer in der Romankunst einzigartigen Offenheit schildert Flaubert das Schicksal einer verheirateten Frau, die von ihrer Liebessehnsucht zum Äußersten getrieben wird.

PENGUIN EDITION. Zeitlos, kultig, bunt. - Ausgezeichnet mit dem German Brand Award 2022

Gustave Flaubert, 1821 in Rouen als Sohn eines Chirurgen geboren, besuchte zuerst die Schulen in seiner (durch »Madame Bovary« berühmt gewordenen) Vaterstadt, studierte eher lust- und erfolglos die Rechte in Paris und mußte sich dann aufgrund eines rätselhaften Nervenleidens aus jeder Berufstätigkeit zurückziehen. Er lebte in strenger schriftstellerischer Askese in Rouen, unternahm immer wieder Reisen in Europa, nach Nordafrika und dem Nahen Osten und starb 1880 im Alter von 59 Jahren. Flaubert war unerbittliche Präzision in der Kunst wichtiger als überhitzte Inspiration und das Suchen nach bisher unbeschriebenen Aspekten der Wirklichkeit wesentlicher als romantische Gefühlsdarstellung. Diese strenge Forderung setzte er in »Madame Bovary« in revolutionärer Weise um - doch vorher hatte es in seinem Leben eine Epoche gegeben, die in ihrer anarchischen Heftigkeit ihresgleichen sucht.

Textauszug

1

Yonville-l'Abbaye (so genannt nach einer alten Kapuzinerabtei, von der nicht einmal mehr die Ruinen vorhanden sind) ist ein Flecken, acht Meilen von Rouen, zwischen Abbéville und Beauvais im Tal der Rieule gelegen, eines Flüsschens, das sich in die Andelle ergießt und vor seiner Mündung drei Mühlen treibt; ein paar Forellen gibt es auch darin, nach denen die Buben sonntags angeln.

Wenn man die Landstraße bei Bossière verlässt und querfeldein bis zur Höhe von Leux weiterwandert, sieht man das Tal vor sich liegen. Es ist durch den Fluss in zwei deutlich verschiedene Hälften geteilt: zur Linken ist alles Wiesenland, zur Rechten nichts als Getreidefelder. Die Wiesen ziehen sich an einer nahen Hügelkette hin und verlaufen schließlich in die Weidetriften von Bray, während nach Osten zu die gelben Kornfelder, sanft ansteigend, sich in unabsehbare Fernen verlieren. So, mit dem Silberband des Flüsschens zwischen dem schmaleren Wiesengrün und dem weithin gedehnten Weizengold, gleicht die Landschaft einem riesigen ausgebreiteten gelben Mantel mit grünem, silberbordiertem Samtkragen.

Grade vor sich sieht man am Horizont den Eichenwald von Argueil mit den Steilhängen der Höhen von Saint-Jean, deren graues Gestein von oben bis unten von unregelmäßigen roten Streifen durchzogen ist; das sind die Spuren der Regenbäche, und die braunrote Färbung rührt von den eisenhaltigen Quellen her, die von dort oben ins Land fließen.

Man ist hier in dem Grenzgebiet von Normandie, Picardie und Isle-de-France, einer Mischlingsgegend, wo weder Sprache noch Landschaft einen ausgeprägten Charakter hat. Von hier kommt der schlechteste «Schweizer»-Käse des ganzen Bezirkes, und der Feldbau ist besonders kostspielig, weil der bröcklige, sand- und steinreiche Boden sehr viel Dünger braucht.

Bis zum Jahre 1835 gab es keine fahrbare Straße nach Yonville; erst um diese Zeit legte man einen Gemeindeweg an, der die Straße nach Abbéville mit der nach Amiens verbindet und zuweilen von den Fuhrleuten benutzt wird, die von Rouen ins Flandrische wollen. Aber trotz dieser neuen Verkehrsmöglichkeit ist Yonville-l'Abbaye in der Entwicklung stehen geblieben. Anstatt den Ackerbau zu fördern, verharrte man unentwegt bei der Weidewirtschaft, sowenig sie auch abwirft, und anstatt sich der Ebene zuzuwenden, wuchs sich das träge Nest immer nur längs des Flusses aus. Da sieht man es nun von ferne liegen, lang hingestreckt wie ein schläfriger Kuhhirte, der am Ufer seine Siesta hält.

Oberhalb der Brücke beginnt ein mit jungen Pappeln bepflanzter Fahrweg, der in gerader Linie zu den ersten Häusern des Ortes führt. Ein jedes Haus steht auf einem heckenumzäunten Wirtschaftshof, inmitten allerhand kleinerer Gebäude, Keller, Schuppen, Brennereien, dazwischen dicht belaubte Bäume, an denen Leitern, Stangen, Sensen angelehnt oder aufgehängt sind. Die Strohdächer reichen, gleich tief über die Augen gezogenen Pelzmützen, bis fast zur Hälfte über die dicken Butzenscheiben der niedrigen Fenster herab. An die getünchten, von schwarzem Fachwerk durchschrägten Mauern klammert sich hier und da ein mageres Birnbaumspalier, und an den Haustüren sind kleine Drehgatter angebracht, um das Hühnervolk abzuwehren, dem man in Apfelmost geweichte Brotkrumen auf die Schwelle zu streuen pflegt.

Weiterhin werden die Höfe immer kleiner, die Häuser rücken dichter aneinander, die Hecken verschwinden. Am Fenster eines Hauses hängt ein Bündel Farnkraut an einem Besenstiel; hier ist die Werkstatt des Hufschmiedes und daneben die Stellmacherei, mit ein paar neuen Leiterwagen davor, die quer über den Weg stehen. Dann zeigt sich, durch ein Gittertor sichtbar, ein weißes Haus hinter einem runden Rasenplatz, den ein kleiner, den Finger an den Mund legender Liebesgott ziert; rechts und links von der Freitreppe stehen zwei gusseiserne Vasen; Amtsschilder glänzen an der Tür: es ist das Haus des Notars und das schönste der ganzen Gegend.

Beschreibung für Leser

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