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Produktdetails

Verlag
Piper Verlag GmbH
Piper
Erschienen
2010
Sprache
Deutsch
Seiten
224
Infos
224 Seiten
mit 1 Karte
193 mm x 118 mm
ISBN
978-3-492-27594-1

Besprechung

»Diese Gebrauchsanweisung ist witzig, unterhaltsam und dazu noch unglaublich lehrreich. (...) Auch wer schon mehrfach in Irland war, kann hier noch etwas lernen.« Miroque Keltika

Textauszug

Vorwort
Es gibt drei große Lügen in Irland, so behaupten jedenfalls
die Einheimischen und die müssen es ja wissen. Erstens :
" Das ist wirklich das letzte Bier für heute. " Zweitens: " Der
Scheck ist bereits unterwegs. " Und drittens: " Wir treffen
uns um halb neun. " Die Iren drücken damit selbstironisch
aus, dass sie alkoholischen Getränken nicht abgeneigt sind,
gerne ein wenig flunkern und grundsätzlich zu spät kommen.
Mit diesem Wissen könnten Sie sich schon getrost
auf den Weg nach Irland machen.
Allein, in Klischees steckt meistens nur die halbe Wahrheit.
Zwar ist die " Grüne Insel " übersät mit Kneipen, die
ein dichtes Netz sozialer Knotenpunkte bilden, doch daneben
gibt es eine viertel Million Abstinenzler, sodass die
Iren im Alkoholverbrauch längst nicht an der Spitze in Europa
liegen. Auch zögern die Iren die Bezahlung von
Rechnungen gerne bis zur letzten Sekunde und manchmal
noch länger hinaus, bei telefonischer Mahnung beruhigt
man jedoch den Gläubiger, um ihm nicht den Tag
zu verderben; er erfährt ja früh genug, dass es mit dem
Scheck wieder nicht geklappt hat was man zur Not dann
immer noch auf die Post schieben kann. Und schließlich
sind die Iren bei Verabredungen nur selten pünktlich, aber
man verabredet sich im Pub, damit es dem Wartenden
nicht langweilig wird. Womit wir wieder bei der ersten
Lüge wären.
Vielleicht liegt es ja an einem Missverständnis, wenn Sie
glauben, man habe Sie versetzt. Wenn Iren half four sagen,
so ist damit half past four gemeint also halb fünf. Sie können
dann ab fünf mit der Person rechnen, mit der Sie verabredet
sind. Ein spanischer Tourist fragte einmal einen
Iren, ob es in Irland ein ähnlich dehnbares Zeitverständnis
gebe, wie das spanische mañana. " Um Himmels willen ",
antwortete der Ire entsetzt. " So etwas Dringliches gibt es
bei uns nicht. "
Es mag an der agrarischen Struktur und der späten
Industrialisierung liegen, dass die Iren immer Zeit für eine
Tasse Tee und ein Schwätzchen haben. In Dublin und den
anderen Großstädten Cork, Limerick, Dun Laoghaire, Galway
und Waterford macht sich indes langsam ein mitteleuropäischer
Zeitbegriff breit allerdings nicht zulasten
des small talk im Pub. Es gibt ja genügend Leute, über die
man reden kann. Kämen Sie als Berliner auf die Idee
herauszufinden,
ob Sie gemeinsame Bekannte haben, wenn
Sie einen anderen Berliner kennenlernen ? Obwohl auch
in der Republik Irland fast vier Millionen Menschen leben,
forschen zwei Iren, die sich irgendwo in der Welt begegnen,
sogleich nach Berührungspunkten fast immer mit
Erfolg. Zumindest kennt man den Nachbarn des Klempners,
der bei der Tante des Gesprächspartners den Rohrbruch
beseitigt oder gar verursacht hat. Und wenn nicht,
lässt sich über Politiker und andere "Stars" reden.
Die Ehrfurcht vor großen Namen ist in Irland völlig
unterentwickelt. Schließlich ist die Insel so klein, dass
man den Finanzminister im Pub, den Nachrichtensprecher
beim Friseur und den Rockstar im Supermarkt treffen
kann. Niemand findet das ungewöhnlich oder käme
gar auf die Idee, einen Prominenten mit übertriebener
Aufmerksamkeit zu belästigen. Vermutlich haben sich deshalb
eine ganze Reihe internationaler Rock- und Filmstars
einen Wohnsitz in Irland zugelegt: Jerry Lee Lewis, Jeremy
Irons, David Bowie, Marianne Faithful, Mick Jagger, Steve
Winwood, Tom Cruise, Nicole Kidman, Harrison Ford,
Anjelica Houston, Julia Roberts und Kevin Costner, um
nur einige zu nennen.
Diese Leute haben freilich den Vorteil, dass sie jederzeit
in ein Flugzeug springen können, wenn sie dem irischen
Wetter entfliehen wollen. Der häufige Regen hat
die Insel vor Massentourismus und Hotelhochhäusern
bewahrt. "Im vergangenen Jahr fiel der Sommer auf einen
Montag", erklärte mein Nachbar einem sonnenhungrigen
Touristen. Ein Sprichwort besagt, dass die Iren zwei Tage
im Jahr besonders genießen: Weihnachten und den Sommer.
Auch da

Langtext

Die Insel in Europas Nordwesten: vielleicht der Flecken Erde mit den meisten Klischees pro Quadratmeter. Was aber erwartet den Irlandreisenden wirklich? Eine der jüngsten Bevölkerungen, die nach zwanzig Jahren Wirtschaftsboom wieder auf den Boden der Tatsachen geholt wurde. Doppelt so viele Schafe wie Menschen. Viel Regen, schwarzes Bier, Bingohallen und eine eigentümliche Sprache. Größen der Weltliteratur von Joyce bis McCourt. Hier sind Sagen und Legenden lebendig, schwebt die Feenfrau Banshee noch immer durch verwitterte Ruinen; hier erfand ein Dubliner den Grafen Dracula. Ralf Sotscheck erzählt mit irisch inspirierter Fabulierlust und lässt das bunte Mosaik einer Nation zwischen keltischer Tradition und Zukunftsfragen entstehen.

Über den AutorIn

Ralf Sotscheck, 1954 in Berlin geboren, ist seit über vierzig Jahren mit einer Irin verheiratet und lebt seit 1985 als Korrespondent der »taz« für Irland und Großbritannien in Dublin. Er schreibt außerdem für namhafte Zeitschriften, dreht Dokumentarfilme fürs deutsche Fernsehen und veröffentlichte zahlreiche Reportage- und Satirebücher. Zuletzt erschienen von ihm u.a. »Lesereise Irland: Grüner Fels in wilden Zeiten«, »Zocken mit Jesus: Irische Zeichen und Wunder« und zuletzt der Reportagen-Band »Nordirland: Zwischen Bloody Sunday und Brexit«.

Ralf Sotscheck »überzeugt mit seiner genauen, unterschwellig oft ironischen Sprache ebenso wie mit seiner dem Gegenstand angemessenen Freude an Anekdoten.« Die Presse über »Gebrauchsanweisung für Irland«.
www.sotscheck.net