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Denn es will Abend werdenOverlay E-Book Reader
Anna Enquist

Denn es will Abend werden

Roman

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Produktdetails

Verlag
Luchterhand Literaturverlag
Uitgeverij De Arbeiderspers
Erschienen
2019
Sprache
Deutsch
Seiten
288
Infos
288 Seiten
ISBN
978-3-641-24147-6

Kurztext / Annotation

Wie lebt man weiter nach einer traumatischen Erfahrung? Der Abstand zwischen Menschen, die sich lieben, die guten Absichten, die stillen Verwünschungen und missglückten Annäherungen - all das beschreibt Anna Enquist meisterhaft in ihrem neuen Roman. Nach einer traumatischen Erfahrung findet das Ehepaar Carolien und Jochem keinen Trost mehr im anderen, sie ziehen sich zurück, kapseln sich ab, kämpfen allein mit ihrer Angst und Wut. Ihre Freunde Hugo und Heleen, die das Unglück miterlebt haben, reagieren mit Verdrängung und Flucht. Sie schämen sich, weil sie einander nicht helfen konnten, aber sie reden nicht darüber. Und das Streichquartett, das den vier Musikern stets Freude bereitet und über vieles hinweggeholfen hat, gibt es nicht mehr. Doch als Carolien nach Shanghai aufbricht, wo Hugo einen neuen Job angenommen hat, empfindet sie zum ersten Mal nach langer Zeit wieder so etwas wie Freiheit und sogar Glück. Allmählich scheint Licht ins Dunkel zu dringen ... Ein vollkommen eigenständiger Roman der großen niederländischen Autorin, der dort einsetzt, wo ihr letzter Roman »Streichquartett« ein dramatisches Ende nimmt.

Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren, ist ausgebildete Konzertpianistin und arbeitete lange Jahre als Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen. Ihre Werke wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Anna Enquist lebt in Amsterdam.

Textauszug

1_Nichts bleibt, wie es ist, denkt Jochem, während er sich langsam um die eigene Achse dreht und den Blick durch das neue Atelier wandern lässt. Alles ändert sich, so sehr du dich auch anstrengst, den alten Zustand aufrechtzuerhalten. Ich habe große Fenster, auch wenn ich sie hinter einem neumodischen Sonnenschutz mit eleganten Lamellen verstecke, damit ich mich in dem halb unterirdischen Kabuff wähnen kann, wo ich mich zu Hause fühlte. Ich habe weiße Wände, Regale ohne jeden Kratzer, Arbeitsoberflächen aus rostfreiem Stahl und tadellose Schränke mit Schiebetüren. Dagegen ziehe ich zu Felde, bewehrt mit dem mitgebrachten Krempel: verschmierte Leimtöpfe mit eingetrockneten Resten, Beitel mit abgenutzten Griffen, steinalte Innenformen und dreckige Lappen. Um das Neue zunichtezumachen, verstreue ich überall Altes. Aber das Gleiche ist es nicht. Die Decke ist höher, die Leuchtstoffröhren sind greller. Über der Werkbank hängt eine fahrbare OP-Lampe. Nur die Schublade geht noch genauso schwer auf wie früher, darin liegen die Zahnarztspiegel und die Haken, mit denen ich in die F-Löcher komme, zwischen schmutzigen Pinseln und Harzbröckchen.

Das Atelier ist L-förmig, und am Ende vom kurzen Fuß hat es direkt etwas Wohnliches. Da sind eine Spüle und eine Anrichte mit Elektrokochplatten und Kaffeemaschine, hinter einer undurchsichtigen Glaswand Dusche und Toilette. Dazu eine Couch, auf der man schlafen könnte, und ein Esstisch, auf dem jetzt benutzte Tassen und ein Zuckertopf stehen. Dieser häusliche Teil ist durch eine hohe Regalwand vom Atelier abgetrennt. Sie ist zur Küchenseite hin mit Geschirr, Handtuchstapeln und Klamotten bestückt. Zum Arbeitsbereich hin sind die Bretter gefüllt mit Schraubgläsern zur Aufbewahrung von Lacken, Geigenbauzeitschriften in verschiedenen Sprachen und Kartons voll notwendigem Krimskrams: Dämpfer, Stege, Saiten, Stimmstöcke, Schulterstützen. Es sieht schon richtig schön voll aus, stellt er mit Befriedigung fest.

Er knipst die OP-Lampe an und besieht eine Geige, die in einer Wiege aus Schaumgummi auf der Werkbank liegt. Was fehlt dir, darf ich dich kurz untersuchen? Er ist ein freundlicher Kinderarzt. Keine Angst, es tut nicht weh, und das Licht ist nur deshalb so grell, damit ich besser sehen kann. Vorsichtig zupft er mit dem Daumen die Saiten an, eine nach der anderen. In Ordnung. Auf der einen Schulter des Instruments ist der Lack verschlissen. Der Steg steht nicht ganz gerade und sieht aus, als könnte er jeden Moment umklappen. Ein kleiner Riss unter dem rechten F-Loch? Nein, der ist dicht, eine alte Narbe. Jochem fließt über vor Fürsorge, denkt an alles, was er für die Geige tun könnte, gleichzeitig, als fächerten sich seine Gedanken in vier oder fünf verschiedene Bereiche auf. Er wiegt sich auf seinen dicken Schuhsohlen, hin und her und vor und zurück, und erwägt, womit er anfangen soll. Bevor wir uns an die Untersuchung machen, muss das Baby gebadet werden, beschließt er. Aus der Rumpelschublade nimmt er zwei Porzellanschälchen. In das eine streut er feingemahlene Diatomeenerde, in das andere gibt er ein wenig Öl. Dann windet er einen Lappen um seinen Zeigefinger, den er erst in das Öl und dann auch leicht in das Pulver tunkt. Sachte beginnt er über die Geige zu reiben.

Er erschrickt, als das Telefon klingelt. Der Apparat steht auf dem Tisch am Eingang, neben seinem Computer und einem Stapel Papiere. Jochem legt den Lappen weg und nimmt den Telefonhörer ab.

»Eine Dame für Sie, mit einem Kasten«, sagt der Pförtner. »Nach oben gehen lassen?«

»Nein, ich komme sie holen.«

Während des Gesprächs schaut er auf einen Schirm hoch, auf dem in bläulicher Tönung der Empfangsbereich des Gebäudes zu sehen ist. Eine kleine Frauengestalt mit Strickmütze auf dem Kopf steht verloren auf den Marmorfliesen, einen Gambenkasten unter den Arm geklemmt. Er wirft einen letzten Blick auf seinen Arbeitsraum: Terminkalender offen auf dem Tisch, die Verabredun

Beschreibung für Leser

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